Wien. Österreich ist endgültig im Wahlkampf für die bevorstehende Nationalratswahl im Herbst angelangt. Die ÖVP hat Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen die Klimaschutzministerin des Koalitionspartners, Leonore Gewessler, angekündigt, wie Generalsekretär Christian Stocker am Montag mitteilte. Auslöser des Konflikts der Regierungskoalition ist Gewesslers Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz, das Naturschutzziele bis 2050 festlegt.
Die ÖVP wirft der Ministerin vor, entgegen verfassungsrechtlicher Vorgaben gehandelt zu haben. Laut Stocker sei Gewessler verpflichtet gewesen, die einheitliche Stellungnahme der Bundesländer zu berücksichtigen, die gegen das Gesetz ausfiel. Durch ihr Handeln habe sie wissentlich und rechtswidrig gegen die Verfassung verstoßen, was Amtsmissbrauch darstelle.
Gewessler sieht dies naturgemäß anders und erklärte, dass sie sich rechtlich abgesichert habe. „Meine Zustimmung ist rechtskonform“, betonte die Ministerin in einer Pressekonferenz und in den sozialen Medien. Sie sehe ihre Zustimmung als ein „Signal der Entschlossenheit und des Mutes“, um den Naturschutz voranzutreiben.
Unmittelbar nach der Abstimmung im EU-Ministerrat kündigte das Kanzleramt unter Bundeskanzler Karl Nehammer ebenfalls eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. „Das Votum von Bundesministerin Gewessler entspricht nicht dem innerstaatlichen Willen und konnte daher nicht verfassungskonform abgegeben werden“, erklärte eine Sprecherin des Kanzlers.
Die ÖVP kritisiert, dass Gewessler sich über die Verfassung hinwegsetze und ihre grüne Ideologie über gesetzliche Bestimmungen stelle. „Dieses Verhalten wird die Volkspartei nicht akzeptieren“, so Stocker. Er forderte eine gerichtliche Klärung, da die Ministerin sich auf Privatgutachten stütze und die Position des Verfassungsdienstes ignoriere.
Das EU-Renaturierungsgesetz selbst sieht vor, bis 2050 Naturschutzgebiete und Agrarflächen naturnäher zu gestalten, um das Artensterben zu bekämpfen, heißt es im Gesetzesvorhaben. Gewessler argumentierte, dass alle Finanzierungs- und Vereinbarkeitsfragen im Kompromiss geklärt seien, weshalb sie für die Annahme des Vorschlags stimmte. Ihre Zustimmung war entscheidend, da die erforderliche Mehrheit von 65 Prozent der EU-Einwohner nur dank Österreichs Stimme erreicht wurde.
Quelle: ORF / Der Standard