Gastkommentar von Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i.R. für Geschichte an der Universität Innsbruck.
Ende April 2023 hat der jüdisch ethnozentrische Staat Israel den 75. Jahrestag seiner Gründung zelebriert. Im Mai 2023 hat das palästinensische Volk des 75. Jahrestages der Nakba ihres Heimatlandes gedacht. Der Konflikt zwischen den jüdischen Israelis und den palästinensischen Arabern ist einer humanen Lösung nicht nahegekommen.
Seit mehr als 15 Jahren ist der Gazastreifen ein riesiges Freiluftgefängnis, eingeschlossen von israelischen Militärstützpunkten, Mauern und Sicherheitszäunen. Palästinensische Dörfer und Flüchtlingslager wurden seit Jahren von israelischen Militäreinheiten immer wieder durchstreift und die dort in tiefster Armut lebenden Palästinenser, Erwachsene und Kinder, systematisch verängstigt, provoziert und gedemütigt. In den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten werden mit Waffen hochgerüstete jüdische Siedlungen gebaut, Straßen, die nur für israelische Fahrzeuge zugänglich sind, und eine Infrastruktur im Interesse Israels installiert. Das palästinensische Volk ist in seiner Gesamtheit seit vielen, vielen Jahren Opfer eines israelischen Staatsterrorismus, vergleichbar mit dem Terrorismus der herrschenden Klassen in Lateinamerika oder in Afrika.
Zu Beginn des Jahres 2006 hat die Hamas in einer weltweit beachteten Wahl die parlamentarische Mehrheit in Palästina erlangt. Ihre Führer haben immer wieder betont, dass sie eine Zweistaatenlösung akzeptieren würden. Eine solche war von den Vereinten Nationen 1946 vorgesehen. Palästina sollte in zwei Staaten geteilt werden, einen jüdischen und einen palästinensisch-arabischen. Es ist aus verschiedenen Gründen nicht dazu gekommen. Mit der UN-Resolution 3236 vom November 1974 wurde das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung in Palästina anerkannt und der Teilungsplan in Erinnerung gebracht. Am 15. November 1988 hat die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) inmitten der Intifada die Gründung des Staates Palästina anerkannt. Österreich begnügte sich mit der Anerkennung Palästinas als Völkerrechtssubjekt, anerkennt es aber nicht als Staat. Die führenden Eliten von Israel haben im Einvernehmen mit den USA mit fadenscheinigen Begründungen eine solche zum Frieden hinführende Zweistaaten-Lösung abgelehnt. Im Grunde ging und geht es ihnen um die Vernichtung Palästinas, in dem nach den Worten des israelischen Verteidigungsministers Yoav Gallant „menschliche Tiere“ leben.
Seit Jahresanfang 2023 sind bis zum 8. Oktober mehr als 250 Palästinenserinnen und Palästinenser im Westjordanland von Israelis massakriert worden, darunter mehr als 40 Kinder. Jetzt hat Hamas entschieden, einen bewaffneten Befreiungskampf zu beginnen, um Gerechtigkeit in Palästina zu verwirklichen. Die Gewaltakte sind schrecklich, nicht anders als in anderen Teilen der Welt, von denen nicht nur Österreich wegschaut.
Indem Österreichs politisches System völlig einseitig dem Vorgehen Israels zur Auslöschung Palästinas demonstrativ zustimmt, ist es für die explosive Gewalt dort mit verantwortlich. Anstatt eine Fahne des Friedens und des Dialogs auf dem Bundeskanzleramt in Wien zu hissen, um zu signalisieren, dass die Republik Österreich sich zu Vermittlung zwischen dem palästinensischen und israelischen Volk anbietet, wird die israelische Flagge gehisst. Das ist wahrlich erbärmlich!