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Juan Carlos Tabío verstorben

Am vergangenen Montag verstarb der kubanische Filmemacher Juan Carlos Tabío, der das lateinamerikanische Kino nachhaltig geprägt hat.

Havanna. Wie die Zeitung „Granma“ berichtet, ist der kubanischen Regisseur und Drehbuchautor Juan Carlos Tabío am 18. Jänner 2021 gestorben. Er wurde 77 Jahre alt. Weltweite Berühmtheit hatte er 1993 durch den Film „Fresa y Chocolate“ („Erdbeer und Schokolade“) erlangt, den er gemeinsam mit seinem 1996 verstorbenen Kollegen Tomás Gutiérrez Alea realisiert hatte. Eine weitere international bekannte Co-Produktion der beiden war „Guantanamera“ (1995; deutscher UT: „Eine Leiche auf Reisen“). Zu Tabíos anderen wichtigen Kinofilmen zählen z.B. „Lista de Espera“ (2000; deutscher Vertrieb: „Kubanisch reisen“), „Se permuta“ (1985), „Plaff“ (1988) oder „El cuerno de la abundancia“ („Das Füllhorn des Überflusses“, 2008). Daneben zeichnete er seit 1963 für zig Kurzfilme und Dokumentationen verantwortlich. Seine letzte „große“ Regiearbeit war sein Abschnitt „Dulce amargo“ des internationalen Episodenfilms „7 días en La Habana“ („Sieben Tage in Havanna“), an dem neben Tabío u.a. auch Benicio del Toro, Emir Kusturica und Daniel Brühl mitwirkten. Für sein Schaffen wurde Tabío nicht nur mit mehreren kubanischen und lateinamerikanischen Preisen ausgezeichnet (z.B. mehrmals beim „Festival des neuen lateinamerikanischen Kinos“), auch bei internationalen Würdigungen in Europa und Nordamerika kam man nicht (immer) an ihm vorbei: „Fresa y Chocolate“ erhielt u.a. Auszeichnungen bei der Berlinale, beim spanischen „Goya“ sowie beim „Sundance Film Festival“, aber auch eine „Oscar“-Nominierung als bester fremdsprachiger Film. „Guantanamera“ wurde der wichtigste spanische Drehbuchpreis zuerkannt. „Lista de Espera“ nahm, wie auch „7 días en La Habana“, bei den Filmfestspielen in Cannes teil.

Trotzdem wurde Tabíos Werk in den imperialistischen Staaten freilich zwiespältig rezipiert, zumal er ja auch seit Beginn der 1960er Jahre für das im Zuge der Revolution geschaffene „Kubanische Institut für Filmkunst und Filmindustrie“ (Instituto Cubano de Arte e Industria Cinematográficos, ICAIC) tätig war und später an der von Fidel Castro ins Leben gerufenen „Internationalen Hochschule für Film und Fernsehen“ (Escuela Internacional de Cine y TV, EICTV) in San Antonio de los Baños unterrichtete. Gerne missinterpretierten die Medien in Westeuropa und den USA Tabíos komödiantische und gnadenlos satirische Filme als Kritik am kubanischen Sozialismus, doch in Wirklichkeit waren es der Neokolonialismus, der westliche Kulturimperialismus sowie die Blockadepolitik, gegen die er sich wandte. Durchaus benannte er Fehler, die in Kuba vorhanden sind – hier etwa den Umgang mit Homosexualität oder Versorgungsschwierigkeiten der Período especial sowie bürokratische Hemmnisse –, doch am Ende ging es Tabío immer darum, was unter schwierigen Verhältnissen erreicht wurde: Eine solidarische, erfindungsreiche und widerständige Gesellschaft mit sozialistischem und antiimperialistischem Bewusstsein, die gemeinschaftlich, selbstbewusst, positiv, kreativ und mit Humor mit den kleinen und größeren Widrigkeiten des Alltags wie der Weltpolitik umzugehen weiß. In diesem Sinne kennen seine Filme auch nur einen Star: das Volk Kubas. Und so hinterlässt Tabío ein sowohl künstlerisch bedeutendes Vermächtnis wie einen durchaus klaren politischen Auftrag für die kubanisch-sozialistische Nation: Man kann manches besser machen, aber nicht hinter den Sozialismus zurückfallen. Das ICAIC meinte daher auch anlässlich seines nunmehrigen Todes: „Sein Werk ist Teil der transzendenten Geschichte des kubanischen Kinos als Spiegelbild der Identität einer Nation.“

Quelle: Granma / ORF

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