Ungeachtet der Einwände aus Washington, Brüssel und Kiew wird Nord Stream 2 fertiggestellt, darüber sind sich die BRD, Frankreich und Österreich einig – ein paar Hintergründe.
Berlin/Paris/Wien. Nachdem Kanzlerin Angela Merkel bereits deutlich gemacht hatte, dass sie nicht daran denke, die Causa Nawalny mit dem Erdgaspipeline-Projekt Nord Stream 2 zu verknüpften, zogen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (nach Bedenkzeit) und Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz nun nach: Sie erklärten jeweils ihre Unterstützung der deutschen Position. Das vornehmlich russisch-deutsche Bauprojekt in der Ostsee wird damit wohl weitgehend plangemäß fertiggestellt werden. Es liefert Erdgas aus Russland, parallel zu den bereits seit 2011 bestehenden beiden Röhren von Nord Stream 1 sollen zwei weitere Stränge vom Wyborg zur deutschen Küste in der Nähe von Greifswald verlaufen. Damit werden die Transportkapazitäten also verdoppelt – und dies unter Umgehung früherer Hauptrouten, die über die Ukraine und osteuropäische EU-Staaten führen. Dementsprechend gab und gibt es Widerstand gegen Nord Stream 2, insbesondere in Kiew, Warschau und den baltischen Staaten, aber auch die EU-Institutionen äußersten sich kritisch. Vordergründung beklagte man die allzu einseitige Abhängigkeit von Russland, brachte zur Unterfütterung aber auch kartellrechtliche und ökologische Vorwände ins Treffen. Daneben sind die USA – egal, wer im Weißen Haus sitzt – ein vehementer Gegner der europäischen Zusammenarbeit mit dem russischen Gazprom-Konzern, dahinter stehen einerseits antirussische geopolitische Interessen, aber auch das Ansinnen, nordamerikanisches Fracking-Flüssiggas nach Europa zu liefern.
In Berlin sieht man es tendenziell gelassener: Dass man um russische Rohstoffe nicht herumkommt – und hier eben sogar gegenüber den USA oder nahöstlichen und kaspischen Öl-/Gas-Reserven mehr Spielraum erhält –, ist eine realistische Sichtweise, für die es nicht erst die AfD braucht. Unumstritten ist Nord Stream 2 trotzdem nicht, denn im BRD-Kapital gibt es unterschiedliche Meinungen, ob man die eigene imperialistische Position besser mit einer engen transatlantischen Strategie oder doch in einer Partnerschaft mit Moskau bedient – auch wenn dort der rechtsextreme Querulant Nawalny absehbar nicht in den Kreml einziehen dürfte. Insofern ist es folgerichtig, sich Optionen offen zu lassen: Mit den Konzernen E.ON/Uniper und der BASF-Tochter Wintershall DEA sind zwei wichtige deutsche Gesellschaften am Nord Stream-2-Projekt beteiligt, das formell unter der Verantwortung von Gazprom steht, nachdem man 2016 aus taktischen Gründen das ursprüngliche Konsortium PNEP umstrukturierte. In diesem hielten die Gazprom 50 Prozent sowie fünf westeuropäische Partner jeweils 10 Prozent. Dies ist nun vordergründig nicht mehr so, doch die Konzerne aus der EU zahlen freilich immer noch ihre entsprechenden Anteile an den Baukosten von rund acht Milliarden Euro. Neben den erwähnten deutschen Gesellschaften sind dies die österreichische OMV, die französische Engie sowie die mehrheitlich niederländische Royal Dutch Shell. Und so braucht man sich nicht wundern, dass der Präsident Frankreichs und der Wiener Kanzler ihre volle Solidarität mit der Position Merkels erklären – denn es ist diejenige ihrer eigenen nationalen Energie-/Gaskonzerne. Fehlt nur noch die politische Rückendeckung aus Amsterdam bzw. Den Haag. Diesbezüglich könnte man einfach mal das niederländische Königshaus fragen, denn dieses lukriert mit seinem privaten 3,5%-Anteil an Royal Dutch Shell ja auch satte Profite.