Der ORF-Generaldirektor war dem Kanzleramt stets eng verbunden – egal, ob gerade SPÖ oder ÖVP die Regierungsspitze stellten. Doch die türkise Mehrheit im Stiftungsrat will Wrabetz trotz braver Gefolgschaft von der Spitze des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entfernen.
Wien. Die langjährige Amtszeit von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz dürfte vor dem baldigen Aus stehen. Am kommenden Dienstag tagt der Stiftungsrat, und die ÖVP-nahen Mitglieder wollen dem Vernehmen nach für Roland Weißmann als neuen ORF-Chef stimmen. Wrabetz, der 2007 selbst durch Absprachen zwischen sozialdemokratischen, blauen und grünen Stiftungsräten – zu denen sich später auch noch Reste des BZÖ gesellten – auf seinen gutdotierten Chefposten gehievt wurde, ortet nun plötzlich Postenschacher, Orbanisierung und mangelnde Qualifikation seines Konkurrenten.
Die tiefe Enttäuschung über den fehlenden Liebesbeweis aus dem Kanzleramt, eine weitere fünfjährige Amtszeit abdienen zu dürfen, ist in gewisser Weise nachvollziehbar. Der einstige VSStÖ-Vorsitzende Wrabetz – lange ist’s her – trug allein in den letzten Monaten die Verantwortung für mehrere absurde ÖVP-Belangsendungen:
- Im Mai wurde der Bundestag der Jungen ÖVP (JVP) auf der ORF-Homepage (völlig unkommentiert) im Livestream übertragen. Selbst aus Sicht des Vorsitzenden des ORF-Redakteursrats, Dieter Bornemann, gab es dafür „keinen journalistischen Grund“.
- ORF III produzierte zusammen mit dem ÖVP-geführten Wirtschaftsministerium (vermittelt von der ÖVP-nahen Agentur GPK live) eine Sendereihe zur Digitalisierung. Bereits nach einer Minute war Ministerin Schramböck im Bild und konnte unhinterfragt ihre inhaltsleeren Phrasen abspulen. Im Gegensatz zur JVP-Übertragung wurde die Schramböck-Sendung mit 320.000 Euro Steuergeld finanziert.
- Dass der Bundespräsident eingeschaltet werden musste, um Finanzminister Blümel (ÖVP) zur Herausgabe von Akten zu zwingen, wurde in den meisten ORF-Sendungen als juristische Skurrilität abgehandelt. Auch in den zahlreichen Skandalen um Kurz und Schmid war der ORF äußerst zurückhaltend – und ließ die Themen gerne gleich vom ÖVP-nahen Innenpolitikchef Hans Bürger „analysieren“.
Doch Dankbarkeit ist keine politische Kategorie, schon gar nicht für die intrigante Schnöseltruppe um Sebastian Kurz. Am Dienstag wird nun wieder einmal der Wunschkandidat der Politik zum ORF-Generaldirektor – so ist das aber bereits seit Gründung des Österreichischen Rundfunks 1955, abgesichert durch die Institution Stiftungsrat, der fest in der Hand von parteipolitischen „Freundeskreisen“ ist.
Quelle: Die Presse