Erstmals schlüpften in Jesolo einige Meeresschildkröten der Art Caretta caretta – normalerweise kommt dies so weit im Norden nicht vor.
Venedig. Ansonsten (über-)bevölkern jeden Sommer Millionen österreichische und deutsche Touristen den Sandstrand von Jesolo – neben Lignano, Caorle und Bibione gehört die Kleinstadt zu den bevorzugten Badeurlaubszielen in der nördlichen Adria. Nun, in der beginnenden Nachsaison, sind es jedoch nicht Wiener Hausmeister, Grazer Maturaklassen oder Bielefelder Familien, die sich am Lido tummeln, sondern Babyschildkröten: Erstmals schlüpften am Strand von Jesolo neun Jungtiere der Art Caretta caretta (Unechte Karettschildkröte) und bahnten sich den 25 Meter langen Weg zum Meer. Dies ist insofern bemerkenswert, als noch niemals zuvor ein Meeresschildkrötennest derart weit nördlich beobachtet wurde. Insofern war bereits die Entdeckung der Nistgrube eine Sensation, weswegen die vom Muttertier gelegten und sodann verlassenen Eier von den örtlichen Behörden mit einem Wall geschützt und regelmäßig überwacht wurden. Das Schlüpfen der Babys war nun das erfreuliche Ergebnis dieser Bemühungen, begleitet vom Abschied: Denn die winzigen, nur 15 Gramm wiegenden Jungtiere müssen sofort ins Wasser, um überleben zu können.
Die Unechte Karettschildkröte – die dominierende Wasserschildkrötenart im Mittelmeer – ist durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU sowie das Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen streng geschützt, was auch notwendig ist: Die Tiere wurden in der Vergangenheit intensiv direkt bejagt, heute landen sie häufig als Beifang in Schleppnetzen. Auch die Gelege sind eine sensible Angelegenheit, weswegen die wichtigsten Eierablagestrände in Griechenland und der Türkei von Umweltschutzorganisationen bewacht und betreut werden. Von daher ist es eine positive Überraschung, dass nun sogar ganz im Norden der Adria einige Babys geschlüpft sind, wo dies normalerweise nicht vorkommt. Die bevorzugten italienischen Nistplätze der Unechten Karettschildkröte liegen üblicherweise in den südlichen Regionen Kalabrien und Kampanien sowie auf Sizilien. Auch abgesehen vom erstaunlichen Höhepunkt in Jesolo wurden heuer in Italien so viele Meeresschildkrötennester wie lange nicht mehr registriert, nämlich rund 180, was doch ein positives Zeichen für die Erholung der bedrohten Population darstellt. Die indirekte negative Seite der Angelegenheit: Dass die Tiere nun sogar ganz im Norden der Adria nisten, dürfte eine Folge der weniger erwünschten Erderwärmung sein.
Quelle: Der Standard