Die arktische Meereisfläche schrumpft weiter. Immer deutlicher wird: Der kapitalistische Klimawandel muss durch einen umfassenden Systemwechsel gestoppt werden.
Nordpol/Arktis. Was sich vor Kurzem durch Hitzewellen und Waldbrände in Sibirien sowie die jüngsten Höchsttemperaturrekorde auf Spitzbergen angekündigt hat, schlägt sich nun auch in Bezug auf die Eisdecke des nördlichen Polarmeeres nieder: Noch nie zuvor war die Eisfläche der Arktis schon zur gegenwärtigen Jahreszeit derart zusammengeschmolzen. Ihr Minimum erreicht die Meereisfläche nämlich jedes Jahr erst im September. Der historische Juli-Tiefstwert bedeutet auch: Noch nie war so früh im Jahr die Nordostpassage eisfrei und schiffbar. Anders gesagt: Man könnte jetzt schon mit dem Schiff ungehindert vom norwegischen Tromsö nach Wladiwostok an der russischen Nordpazifikküste fahren – und zwar obenrum, den (vergleichsweise) kurzen Weg entlang der Küste Russlands, nicht über den südlichen Umweg von drei Kontinenten und ebenso vielen Ozeanen.
Weniger Eis, mehr Meerwasser
Die Daten aktueller Satellitenmessungen ergeben, dass die arktische Eisfläche gegenüber dem Vergleichszeitpunkt des Vorjahres, also binnen lediglich zwölf Monaten, um mehr als eine Million Quadratkilometer geschrumpft ist. Das entspricht in etwa der Fläche von Staaten wie Südafrika oder Kolumbien sowie der dreifachen Größe Deutschlands oder der zwölffachen Österreichs. Das Meereis ist also aufgetaut und nun eine Wasserfläche, wo normalerweise eine dicke Eisschicht festes Land suggeriert (das es darunter, abgesehen von ein paar russischen Inseln sowie dem äußersten Norden Grönlands und Kanadas, natürlich nicht gibt). Diese Tatsache mag nach einer guten Nachricht für die Schifffahrt über die nördlichen Seewege klingen, ist aber eine äußerst schlechte für Mensch, Tier, Umwelt und Klima. Wenngleich es akute wetterbedingte Erscheinungen gibt, die ihre Wirkung entfalten, so ist klar, dass es sich dahinter um ein recht deutliches, allerdings auch reproduzierendes Symptom des Klimawandels, d.h. der Erderwärmung handelt. Im Falle der Eisschmelze in der Arktis verschärft sich die Problematik nun zusätzlich auch selbst: Während weiße (mitunter etwas verschmutzte) Eisflächen die Wärme der 24-stündigen nordpolaren Sommersonnenbestrahlung reflektieren, wird diese von dunklen Meeresoberflächen absorbiert – d.h. das Wasser wird noch wärmer und das Eis schmilzt noch schneller.
Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre
Wer nicht gerade US-Präsident oder aus sonstigen Gründen verständnisresistent ist, weiß freilich längst, was die gobale Erwärmung bedeutet: Anstieg des Meeresspiegels, biologisches Kippen von Meeresregionen, Bedrohung der maritimen Flora und Fauna, Aussterben der Eisbären. In anderen Weltgegenden führt dies zu Dürren und Verwüstungen, zu Überschwemmungen und Wetterkapriolen katastrophalen Ausmaßes. All dies hat wiederum Folgen für die Menschheit: Nicht nur das eine oder andere Pazifikatoll droht unterzugehen, sondern auch manch eine Küstenmetropole. Versorgungskrisen, Hunger und Wasserknappheit könnten sich verschärfen – auch bei uns: Die Gletscherschmelze z.B. stellt langfristig die Trinkwasserversorgung infrage. Es ist hinlänglich bekannt, was die Erderwärmung befördert, nämlich die massive Vermehrung der so genannten Treibhausgase in der Atmosphäre, d.h. von Methan und vor allem Kohlenstoffdioxid (CO2). Und dies wird durch den Menschen signifikant beeinflusst.
Profitinteressen verhindern Umwelt- und Klimaschutz
Es sind vor allem fossile Brenn- und Kraftstoffe, deren gasförmige Rückstände aus Schornsteinen und Auspuffrohren kommen, durch die die CO2-Konzentration seit langem deutlich erhöht wird. Gleichzeitig sorgen die Abholzungen großer Waldflächen – nicht zuletzt tropischer Ur- und Regenwälder – dafür, dass das CO2 von immer weniger Pflanzen gebunden und wiederum Sauerstoff erzeugt wird. Man könnte nun einfach bei der Lebensweise der Menschen ansetzen: Bitte weniger mit dem Auto, mehr mit dem Fahrrad fahren! Schadet natürlich nicht, löst aber die Gesamtsituation nicht wirklich. Es ist die kapitalistische Produktionsweise unseres Wirtschaftssystems, das aus Profitinteressen ganz bewusst keine Rücksicht auf Mensch, Tier, Umwelt und Klima nimmt. In allen Bereichen steht der finanzielle Gewinn einer kleinen Minderheit über notwendigen Gegenmaßnahmen und nachhaltiger wie umweltgerechter Produktion. Appelle an Vernunft und Verantwortungsbewusstsein nützen da nichts, im Gegenteil: Der Kapitalismus gedenkt, den Klimawandel für sich zu nützen, denn indem etwa Innlandeis und Permafrostböden vermehrt auftauen, lässt dies einige Öl- und Bergbaukonzerne erstrecht in den Startlöchern scharren.
Den Kapitalismus zerstören, um den Planeten zu retten
Um den globalen Klimawandel zu stoppen, wird es einen umfassenden Systemwechsel brauchen, in ökonomischer und politischer Hinsicht: Eine Enteignung der großen Konzerne und die Kontrolle der Produktion durch die arbeitenden Menschen, die dann auch einen Umgang mit den verfügbaren Ressourcen und anwendbaren Technologien findet, die allen Menschen gleichermaßen Wohlstand ermöglicht. Auf dieser Basis ist eine Wirtschaft zu etablieren, die Bedürfnisbefriedigung und Fortschritt gezielt plant, dabei aber eben auch im Eigeninteresse Rücksicht auf Umwelt und Klima nimmt, denn eine maximale Ausbeutung von Menschen, Tieren, Böden und Rohstoffen ist dann nicht mehr notwendig und hat als zerstörerisches Prinzip des Kapitalismus ausgedient. Um eine solche – sozialistische – Gesellschaft zu erreichen, müssen freilich die Herrschenden des Kapitalismus entmachtet werden. Diese Herrschaft bewegt sich längst auf dünnem Eis und es ist hoch an der Zeit, sie auf dem Meeresgrund der Geschichte zu versenken.
Quelle: Der Standard