Khartum/Den Haag. In einem dramatischen Schritt hat der Sudan den Internationalen Gerichtshof (IGH) angerufen, um die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zur Beendigung ihrer mutmaßlichen Unterstützung der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) zu zwingen. Diese bewaffnete Gruppe ist eine der Hauptakteure im blutigen Konflikt, der das Land seit April 2023 erschüttert. Während täglich Menschen sterben, hungern oder auf der Flucht sind, kämpft das sudanesische Volk nicht nur gegen die verheerenden Folgen des Bürgerkriegs – sondern auch gegen die Interessen ausländischer Mächte.
Eine Klage als Ausdruck der Verzweiflung
Vor dem IGH forderte der Sudan „volle Reparationen“ von den VAE, einschließlich Entschädigungen für die zahllosen Opfer. Die sudanesische Regierung beschuldigt die Emirate, die RSF mit Waffen und logistischer Unterstützung versorgt zu haben – ein Vorwurf, den die VAE kategorisch zurückweisen.
Die Anhörung fällt zeitlich zusammen mit einem Appell der USA und Saudi-Arabiens, die Konfliktparteien zur Wiederaufnahme von Friedensgesprächen zu bewegen. Dabei sind gerade diese Länder – ebenso wie Frankreich – selbst tief in die jahrelange Eskalation im Sudan verstrickt. Ihre Rolle als vermeintliche Vermittler ist vor diesem Hintergrund mehr als fragwürdig.
Tod, Vertreibung und das Schweigen der Welt
Laut Angaben der Vereinten Nationen sind seit Beginn des Konflikts über 24.000 Menschen getötet und mehr als 14 Millionen vertrieben worden. Sowohl die RSF als auch die reguläre sudanesische Armee werden schwerer Menschenrechtsverletzungen beschuldigt: Massaker an Zivilistinnen und Zivilisten, sexualisierte Gewalt, Plünderungen und ethnisch motivierte Vertreibungen, insbesondere in der Region Darfur.
Doch die Gewalt im Sudan ist kein isolierter innerstaatlicher Konflikt – sie ist tief verwoben mit den geopolitischen Interessen zahlreicher Akteure.
Geopolitische Interessen und imperialistische Interventionen
Im Hintergrund des Konflikts steht ein erbitterter Kampf um Rohstoffe, strategische Häfen und politischen Einfluss. Der Sudan verfügt über reiche Goldvorkommen, fruchtbares Land und eine geopolitisch zentrale Lage am Roten Meer. Diese Faktoren machen ihn zum Objekt hegemonialer Interessen.
Die Vereinigten Staaten, Russland und China mischen auf unterschiedliche Weise mit – durch wirtschaftliche Abkommen, politische Einflussnahme oder militärische Kooperationen. Bezeichnend ist, dass der Sudan im Jahr 2020 eines der umstrittenen „Abraham-Abkommen“ mit den USA und Israel unterzeichnete – ein Schritt, der ihm zwar vorübergehende diplomatische Anerkennung, aber keine nachhaltige Stabilität brachte.
Auch die VAE, Saudi-Arabien, Ägypten, die Türkei und Katar haben tiefgreifende wirtschaftliche Interessen im Sudan. Sie sichern sich durch großflächige Landpacht und strategische Infrastrukturprojekte entscheidende Einflussmöglichkeiten. So wurde etwa durch ein Abkommen mit der größten sudanesischen Unternehmensgruppe, der DAL Group des Milliardärs Osama Daoud Abdelatif, fruchtbares Land und Küstengebiete an ausländische Investoren vergeben – zur Errichtung von Exporthäfen, Industrieparks und landwirtschaftlichen Großbetrieben.
Ein Krieg der Eliten auf dem Rücken der Bevölkerung
Der aktuelle Krieg ist damit nicht nur Ausdruck innerer Machtkämpfe, sondern ein Stellvertreterkonflikt, in dem das sudanesische Volk systematisch entrechtet, ausgebeutet und ihrer Lebensgrundlagen beraubt wird. Während sich rivalisierende Eliten bewaffnet gegenüberstehen und internationale Mächte ihre Interessen sichern, zahlen Millionen Menschen den Preis mit ihrem Leben, ihrer Gesundheit und ihrer Zukunft.
Die Klage vor dem IGH ist ein Versuch, das internationale Recht gegen diese Realitäten geltend zu machen. Ob sie erfolgreich sein wird, ist ungewiss. Sicher ist jedoch: Frieden im Sudan kann es nur geben, wenn die Ausbeutung durch imperialistische Kräfte und die brutale Logik des Profits durchbrochen werden.
Quelle: 902.gr