Sylt/BRD. Fast ein Jahr ist es her, dass in einer Edel-Bar auf Sylt eine Clique Champagnerschwenker lauthals den Dance-Klassiker „L’amour Toujours“ zur Hassparole „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“ umdichtete und den Auftritt per Handy-Video in die sozialen Netzwerke stellte. Die damalige Empörung war groß, die politische Kaste eilte vors Mikrofon und die Staatsanwaltschaft Flensburg ermittelte. Nun steht das Ergebnis fest: drei der vier Verfahren sind eingestellt, ein vierter Beteiligter kommt mit einer 2.500-Euro-Auflage davon, sofern er den per Strafbefehl verhängten Deal akzeptiert.
Warum eigentlich eingestellt? Weil, so die Behörde, die skandierte Textzeile nach „höchstrichterlicher Rechtsprechung“ nicht den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Sprich: Wer in einer vollbesetzten Bar ganze Strophen darüber singt, dass »Ausländer raus« müssten, übt nach Lesart der Flensburger Staatsanwälte vor allem seine künstlerische Freiheit, aber eben keinen Hass. Entscheidend sei, heißt es sinngemäß, dass der braune Refrain nicht „konkret“ gegen eine aktuell anwesende Minderheit gerichtet war.
Nur gegen den einen Herrn, der den Arm hochriss, den „Hitlergruß“ zeigte und per Handkante noch das Bärtchen andeutete, wurde Anklage erhoben – allerdings ebenfalls im mildesten denkbaren Format: Verwarnung statt Prozess, Geldauflage 2.500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung. Für Sylt-Verhältnisse sind das gerade einmal zwei Weinbegleitungen zum Sechs-Gänge-Menü.
Die weibliche Beteiligte, Studentin einer Hamburger Fachhochschule, bekam dort ein zweimonatiges Hausverbot. Eine Exmatrikulation – einst vollmundig „geprüft“ – hielt die Leitung für „unverhältnismäßig“. Offensichtlich gilt auch an norddeutschen Hochschulen: Wer gegen Geflüchtete skandiert, darf bleiben, wer palästinensische Fahnen zeigt, muss mit Repression rechnen.
Vergleich gefällig? Palästina-Solidaritätsdemos: von Hundertschaften eingekesselt, Auflagen, Pauschalverbote, Hausdurchsuchungen und etliche Ermittlungsverfahren. Champagner-Snobs auf Sylt: drei Freisprüche, ein „du-du-du“ und ein Portokassa-Strafbescheid – das war’s.
Die Botschaft ist unmissverständlich: Wer in Designer-Hemden rassistische Parolen grölt, darf auf ein verständnisvolles Nicken der Strafverfolgung hoffen. Empörung ja, juristische Konsequenzen nein. Wer es hingegen wagt, auf die humanitäre Katastrophe in Gaza hinzuweisen, lernt die „wehrhafte Demokratie“ schnell von ihrer härteren Seite kennen.
So bleibt Sylt weiter, was es offenbar immer war: Eine Insel der Glückseligen – zumindest, wenn man auf der angeblich richtigen Seite steht. Und wer sich jetzt fragt, warum Deutschland wieder einmal „kein strukturelles Problem“ mit Rechtsextremismus haben soll, findet die Antwort im Flensburger Beschluss.
Quelle: ORF