Am 2. Juli 1925 wird in der Kasai-Provinz im Kongo, zu diesem Zeitpunkt belgisches Kolonialgebiet, Élias Okit’Asombo geboren. Erst später soll er nur noch als Patrice Lumumba bekannt sein.
Kampf gegen die belgische Kolonialherrschaft
Lumumba besucht eine Missionsschule und arbeitet in Leopoldville (Kinshasa) und Stanleyville (Kisangani) als Angestellter und Journalist. 1955 wird er Regionalpräsident einer kongolesischen Gewerkschaft und tritt der belgischen Liberalen Partei bei. 1957 wird er wegen Unterschlagung verhaftet und für ein Jahr inhaftiert. Nach seiner Freilassung ist er 1958 bei der Gründung der Mouvement National Congolais (MNC) beteiligt – einer der ersten politischen Parteien im Kongo überhaupt.
Er ist ein vehementer Gegner der belgischen Kolonialherrschaft, die von massivster Grausamkeit gekennzeichnet war. Spätestens ab 1958 wird Lumumba zu einem der wichtigsten Wortführer der Unabhängigkeitsbewegung.
Mit dem Ziel die Ressourcen des Landes, vor allem Kautschuk, zu rauben, setzten die vom belgischen Großkapital geführten Konzessionsgesellschaften auf Sklaverei und Zwangsarbeit. Es kam zu Morden, Vergewaltigungen, Verstümmelungen und Geiselnahmen. Hungersnöte und der Ausbruch von Krankheiten waren direkte Konsequenzen der belgischen Kolonialgewalt. Bis zu 13 Millionen Menschen fielen ihr im Zeitraum zwischen 1895 und 1908 zum Opfer.
Im Jänner 1959 kommt es in der Hauptstadt Leopoldville (benannt nach dem belgischen König Leopold II., in dessen Amtszeit die extremsten der Gräueltaten stattgefunden hatten) zu Massendemonstrationen gegen die Fremdherrschaft. Diese werden zwar blutig niedergeschlagen, doch schon ein Jahr später beginnen in Brüssel die Unabhängigkeitsverhandlungen aufgrund der wachsenden Unruhen.
Patrice Lumumba, der nicht nur die formale, sondern auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit seines Landes fordert, ist zu diesem Zeitpunkt noch wegen „antikolonialer Umtriebe“ im Gefängnis. Die Kolonialregierung muss dem Druck aber erneut nachgeben und Lumumba fliegt zu den Verhandlungen nach Brüssel, wo sodann beschlossen wird, dass der 30. Juni 1960 die Unabhängigkeit des Kongo einleiten solle. Bei den Parlamentswahlen im Mai geht die MNC als Siegerin hervor.
Erster Ministerpräsident der Republik Kongo
Patrice Lumumba übernimmt das Amt des Ministerpräsidenten. Am Tag der Ausrufung der Unabhängigkeit wendet er sich an die kongolesische Bevölkerung: „Die Unabhängigkeit des Kongo ist ein entscheidender Schritt zur Befreiung des gesamten afrikanischen Kontinents. Unsere Regierung, eine Regierung der nationalen und volksnahen Einheit, wird ihrem Land dienen. Ich rufe alle kongolesischen Bürger, Männer, Frauen und Kinder, dazu auf, sich entschlossen der Aufgabe zu widmen, eine nationale Wirtschaft aufzubauen und unsere wirtschaftliche Unabhängigkeit zu sichern. Ewiger Ruhm den Kämpfern für die nationale Befreiung!“[1]
Die in der Kolonialzeit getätigten Investitionen Belgiens hatten den Effekt, dass auch nach der formalen Unabhängigkeit die wirtschaftliche Kontrolle Belgiens über den Kongo faktisch noch aufrechtsteht. Das Großkapital hat großes Interesse an den reichen Mineralressourcen (Uran, Kupfer, Diamanten, Zinn, Cobalt, Mangan, Gold, etc.) sowie agrarischen Gütern (Palmöl, Baumwolle, Holz und das bereits erwähnte Kautschuk).
An den belgischen Monopolen wiederum sind auch ausländische Großkonzerne beteiligt, etwa aus den USA. Schnell wird deutlich, dass die internationalen Kapitalinteressen einen formal neutralen Kongo unter Umständen dulden können, nicht jedoch eine tatsächliche Selbstbestimmung auch auf wirtschaftlicher Ebene.
„Die Kolonialmächte wussten, dass es für sie nicht mehr möglich sein würde, sich ohne Wenn und Aber den Ressourcen des Landes zu bedienen, wenn Lumumba an der Spitze des Staates stünde. Sie wussten, dass Lumumba alle bisherigen Wirtschaftsbeziehungen neu verhandeln würde. Das war inakzeptabel, denn das hätte die Entwicklung von Belgien und ganz Europa zu sehr gebremst.“, betont der Buchautor Emmanuel Mbolela gegenüber dem Deutschlandfunk.[2]
Imperialistischer Putsch und Ermordung
Die belgischen Truppen verlassen den Kongo also nicht, wie eigentlich beschlossen. Separatistische Bewegungen wie jene von Moishe Tschombé, Präsident der Provinz Katanga, werden augenblicklich von Belgien unterstützt. Lumumba versucht die Einheit seines Landes zu wahren, schickt Telegramme an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, um diesen darüber aufzuklären, dass Belgien den Unabhängigkeitsprozess torpediert.[3] Doch die Hilfe der UNO konnte den westeuropäischen und US-amerikanischen Kapitalinteressen wie zu erwarten nichts entgegensetzen und blieb – euphemistisch formuliert – wirkungslos.
Schon im Herbst 1960 wird Lumumba durch einen Militärputsch gestürzt – mit Hilfe belgischer, US-amerikanischer und britischer Gelder, Logistik, Geheimdienstaktivitäten sowie militärischer Rückversicherung. Patrice Lumumba wird gefangengenommen, gefoltert und vermutlich am 17. Jänner 1961 von kongolesischen Soldaten unter belgischem Oberkommando erschossen.
Während die imperialistischen Regierungen, das Monopolkapital und seine Medien den Tod Lumumbas seinerzeit unverhüllt bejubeln, erährt er andernorts verschiedene posthume Würdigungen, v.a. in der UdSSR, in der DDR und in Kuba. Als Märtyrer der Entkolonialisierung und der antiimperialistischen Bewegung Afrikas ist Patrice Lumumba eine wichtige Symbolfigur für Selbstbestimmung und sozialen Fortschritt geblieben. Der französische Schriftsteller Jean-Paul Sartre schreibt 1963: „Seit Lumumba tot ist, hört er auf, eine Person zu sein. Er wird zu ganz Afrika“[4]
[1] Patrice Lumumba, Speech at the Ceremony of the Proclamation of the Congo’s Independence, 30. Juni 1960, online unter: marxists.org
[3] Patrice Lumumba, From a Telegram to the President of the Security Council, 1. August 1960, online unter: marxists.org