Istanbul. Die Türkei baut ihre Rolle als energiepolitisches Drehkreuz an der Schnittstelle zwischen Europa, Asien und dem Nahen Osten weiter aus. Im Zentrum stehen dabei neue Abkommen über Flüssigerdgas (LNG), die das Land nicht nur als Transitpunkt für die „Unabhängigkeit von russischen Kohlenwasserstoffen“ profilieren sollen, sondern zugleich den Vormarsch von US-amerikanischem LNG auf den globalen Märkten vorantreiben.
Ausbau der Infrastruktur
Bereits in den vergangenen sieben bis acht Jahren hat Ankara seine Investitionen in LNG-Infrastruktur massiv ausgeweitet. Die Kapazitäten zur Wiederverdampfung von LNG wurden verfünffacht – ein Entwicklungssprung, der die Türkei heute mit einer Jahreskapazität von 51,3 Milliarden Kubikmetern auf Platz zwei in Europa rückt, gleich hinter Spanien (67,1 Milliarden Kubikmeter). Diese Stärke versetzt die Türkei in die Lage, LNG nicht nur für den Eigenbedarf zu importieren, sondern auch in Nachbarregionen weiterzuleiten.
Neue Verträge in New York
Am Rande der UN-Generalversammlung in New York intensiviert die Delegation der Erdogan-Regierung derzeit ihre internationalen Kontakte. Fast täglich werden neue Verträge über Geschäftspartnerschaften unterzeichnet, die den Transport von US-LNG sichern sollen – mit Weiterleitung in Märkte in Europa, Nordafrika und Asien.
Ein zentrales Abkommen betrifft den türkischen Staatskonzern BOTAS, der mit dem US-Unternehmen Mercuria einen 20-Jahres-Vertrag abgeschlossen hat. Ab 2026 wird BOTAS jährlich rund 4 Milliarden Kubikmeter LNG aus den USA beziehen. Laut Energieminister Alparslan Bayraktar soll das Geschäft nicht nur die Energieversorgung der Türkei stabilisieren, sondern auch dazu beitragen, das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten auf 100 Milliarden US-Dollar anzuheben.
Darüber hinaus unterzeichnete BOTAS eine Absichtserklärung mit Woodside Energy, dem größten australischen Gasproduzenten. Das Abkommen sieht ab 2030 Lieferungen von insgesamt 5,8 Milliarden Kubikmetern LNG über neun Jahre vor – ebenfalls vorwiegend aus Projekten in den USA (Louisiana). Bayraktar sprach von einer „strategischen Zusammenarbeit“, die Brücken zwischen den Kontinenten schlagen solle.
Politische Dimension
Die Energieverträge sind eng mit den geopolitischen Ambitionen Ankaras verknüpft. Während Washington seine Position als globaler Energielieferant weiter stärken will, präsentiert sich die Türkei als unverzichtbare Drehscheibe, die nicht nur Europa, sondern auch den Nahen Osten und Nordafrika versorgen kann.
Die energiepolitische Dynamik überschneidet sich mit hochrangigen politischen Kontakten: Für heute ist ein Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan geplant. Beide waren bereits vorgestern bei einem Treffen muslimischer Staatsführer anwesend, das Erdogan im Nachgang als „fruchtbar“ bezeichnete. Mit dabei waren unter anderem die Präsidenten Ägyptens, Indonesiens und Pakistans.
Die jüngsten Vereinbarungen markieren einen weiteren Schritt in der energiepolitischen Aufwertung der Türkei. Indem Ankara Milliardeninvestitionen in LNG-Infrastruktur mit langfristigen Lieferverträgen koppelt, verfestigt es seine Stellung als Schlüsselknoten im globalen Energienetz. Damit wird die Türkei nicht nur für die USA ein strategischer Partner, sondern positioniert sich zugleich als Gestalterin der künftigen Energielandkarte zwischen den Kontinenten.
Quelle: 902.gr