Villach. Mit dem Herbst kehren nicht nur sinkende Temperaturen, sondern auch volle Wartezimmer und überlastete Hausärztinnen und Hausärzte zurück. In Kärnten wie im gesamten Bundesgebiet steigt die Zahl der Atemwegsinfektionen deutlich – von banalen Erkältungen über Covid bis zur Grippe. Während Gesundheitslandesrätin Beate Prettner (SPÖ) und Ärztinnen wie Maria Korak-Leiter zur kostenlosen Impfung aufrufen, bleibt eine Tatsache unausgesprochen: Gesundheit ist in dieser Gesellschaft längst keine gesicherte, sondern eine soziale Frage.
Die Politik verweist auf Hygienemaßnahmen, Eigenverantwortung und Impfangebote, doch das Gesundheitssystem selbst ächzt unter Sparzwängen, Personalmangel und Privatisierungsdruck. Wer sich impfen lassen will, findet oft keine Hausarztpraxis mehr in erreichbarer Nähe – besonders auf dem Land. Und die Pflegekräfte, die heute Grippepatientinnen und ‑patienten versorgen, arbeiten selbst am Limit.
Die medizinische Bilanz ist klar: Rund 2.000 Menschen sterben in Österreich jedes Jahr an den Folgen einer Influenza, viele davon vermeidbar. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, Beschäftigte mit prekären Jobs und jene, die sich keine längere Krankenzeit leisten können. Wer krank zur Arbeit geht, weil Lohnfortzahlung, Druck und Angst vor Jobverlust über allem stehen, ist kein Einzelfall – sondern das Produkt einer Wirtschaftsordnung, in der Profit über Gesundheit steht.
Die Regierung verweist stolz auf den „E‑Impfpass“ und den Ausbau des Öffentlichen Impfprogramms, doch strukturelle Probleme bleiben unangetastet: mangelnde Versorgung in strukturschwachen Regionen, chronische Unterfinanzierung des öffentlichen Gesundheitssystems, steigende Medikamentenpreise, die von internationalen Konzernen diktiert werden.
Ob Influenza, RSV oder Covid – die Viren machen keinen Unterschied zwischen arm und reich. Doch wer Zugang zu guter Prävention, Wohnraum, Heizung, gesunder Ernährung und medizinischer Betreuung hat, entscheidet sich sehr wohl entlang der Klassenlinien.
Solange der Staat die Gesundheitspolitik nach kapitalistischen Maßstäben organisiert, bleiben die jährlich wiederkehrenden Grippewellen ein Spiegel der sozialen Realität: Die einen kurieren sich aus – die anderen schleppen sich zur Arbeit, bis sie zusammenbrechen.
Quelle: ORF