Im Finale der Champions League im europäischen Klubfußball gewinnt der FC Bayern München die Trophäe, der bei Paris ansässige katarische Verein geht leer aus.
Lissabon. Im Estádio da Luz von Lissabon gingen für Neymar, Mpappe & Co. am späten Sonntagabend beim Champions League-Finale die Lichter aus: Ausgerechnet Ex-PSG-Spieler Kingsley Coman erzielte in der 59. Minute das Goldtor zum letztlich verdienten 1:0‑Sieg des FC Bayern München gegen den Paris Saint-Germain FC. Damit sicherten sich die Münchner zum sechsten Mal die wichtigste Trophäe im europäischen Klubfußball (UEFA Champions League bzw. Europacup der Landesmeister), womit man statistisch zum FC Liverpool aufschloss – nur Real Madrid (13) und der AC Milan (7) haben den Titel öfter gewonnen. Karl-Heinz Rummenigge, CEO der FCB AG, grinste wie ein Honigkuchenpferd bei der Medaillen- und Pokalübergabe, während der Herr zu seiner Rechten betreten dreinschaute: Es handelte sich um PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi aus dem Emirat Katar.
Statthalter der Gas- und Öl-Scheichs
Al-Khelaifi kennen in Österreich v.a. lebende Tennislexika: Er versuchte sich einst mit mäßigem Erfolg als Profispieler auf der ATP-Tour (Top-Ranking 995), brachte es auf höherer Ebene aber nur auf zwei Erstrundenauftritte, jeweils mit Wildcard: Einmal beim Heimturnier in Doha, einmal beim Grand-Prix-Turnier von Sankt Pölten – hier traf er 1996 allerdings sogleich auf Titelverteidiger Thomas Muster, der kurz zuvor sogar Weltranglistenerster geworden war. Nach nur 34 Minuten war das ungleiche Duell vorbei, 6:0 und 6:1 aus Musters Sicht. Nun musste Al-Khelaifi in Lissabon abermals eine bittere Niederlage einstecken, die aber gewiss weit schmerzlicher war. Denn der „Scheich-Klub“ PSG ist dazu verdammt, alles zu gewinnen – alles andere ist indiskutabel. Nichts Anderes ist nämlich die erklärte Zielsetzung, seit PSG 2011 von Qatar Sports Investments (QSI) übernommen wurde, als deren Statthalter Al-Khelaifi fungiert: Der CL-Sieg ist letztlich ein Muss, zumal man in Frankreich keine Gegner mehr hat: Hauptkonkurrent Olympique Lyon hat nur die Hälfte des PSG-Budgets.
Von Saint-Germain-en-Laye zu Markranstädt
Denn natürlich haben die katarischen Eigentümer inzwischen über zwei Milliarden Euro in den Kader investiert, neben Neymar und Mpappe liefen u.a. auch schon Ibrahimovic und Cavani für den Klub aus der Pariser Vorstadt auf. Doch die internationalen Titelgewinne wollen sich nicht so recht einstellen – es bleibt bei einem einzigen für PSG, an den man sich in Teilen Österreichs ungern erinnert: Im Finale des Europacups der Pokalsieger besiegte man 1996 den SK Rapid Wien mit 1:0. Damals war Al-Khelaifi jedoch noch in St. Pölten und PSG im Eigentum des Medienkonzerns Canal+. Wenn man aber schon in die Geschichte zurückblickt, so möchte man auch darauf hinweisen, dass PSG ohnedies die Mutter aller Retortenklubs ist: In Ermangelung eines konkurrenzfähigen Hauptstadtklubs in Frankreich – Racing Club und Red Star fristeten eher ein Nebendasein angesichts der damaligen Übermacht von Rekordmeister AS Saint-Étienne und Olympique Marseille – musste 1970 ein neuer hochdotierter Verein her: Der neu gegründete PSG FC übernahm damals Lizenz und Platz des Zweitligaaufsteigers Stade Saint-Germain und begann unter Trainer Just Fontaine den Durchmarsch, der 1986 im ersten Meistertitel gipfelte. Man könnte also sagen: Saint-Germain ist das Markranstädt von Paris.
PSG-Übernahme durch Qatar Sports Investments
Im Jahr 2006 – PSG war gegenüber Serienmeister Lyon wieder nicht konkurrenzfähig – übernahm eine US-amerikanische Finanzinvestorengruppe mit dem treffenden Namen Colony Capital den Verein, 2011/12 sodann eben die staatlichen Investoren aus Katar unter Al-Khelaifis Leitung. Und seither läuft es zumindest national: Von 2013 bis 2020 gewann PSG sieben französische Meistertitel, nur 2017 machte der AS Monaco den Scheichs einen Strich durch die Rechnung. Und das hat natürlich viel mit den katarischen Finanzen zu tun: Der kleine Golf-Staat auf einer Halbinsel der arabischen Halbinsel und absolutistische Erbmonarchie verfügt über schier unbegrenzte Geldmittel, v.a. aufgrund der Erdgas‑, aber auch der Erdölförderung und ‑Verarbeitung. Die Staatsholding investiert freilich auch in anderen Bereichen, so in der Vergangenheit etwa bei Credit Suisse, Porsche und Hapag Lloyd. Die Investments im Sportbereich sind jedoch hervorstechend und sollen dies auch sein: Sie dürften zwar auch ein Hobby der katarischen Aristokratie darstellen, dienen aber natürlich vor allem der positiven Selbstdarstellung, der Imagepolitur und Weißwaschung des antidemokratischen und auch sonst eher unsympathischen Regimes. Man nennt dies Sportswashing.
Großevents und Fußball-WM in Katar
Im den letzten Jahrzehnten hat sich Katar daher nicht nur PSG als internationales Aushängeschild gekauft, sondern auch viele Sportveranstaltungen ins Land geholt: Das jährliche ATP-250-Tennisturnier von Doha, die Tischtennisweltmeisterschaft 2004, den jährlichen Motorrad-GP von Katar, die Asienspiele 2006, die Leichtathletik-Hallen-WM 2010, die Schwimm-Kurzbahn-WM 2014, die Handball-WM der Männer 2015, die Straßenrad-WM 2016 und die Leichtathletik-WM 2019 – und dies alles in einem äußerst kleinen Wüstengebiet, das mit rund 11.000 Quadratkilometern etwas kleiner als das österreichische Bundesland Tirol ist. Kein anderer Staat – außer vielleicht China – würde derartig viele Großereignisse in so kurzer Zeit stemmen. Der Höhepunkt soll aber noch folgen: Im November und Dezember 2022 findet die Fußball-WM der Männer in Katar statt. Für diesen Zweck wurde so ziemlich alles in Bewegung gesetzt, eine Korruptionsaffäre in der FIFA ist anhängig, aufgrund der unzumutbaren Temperaturen in der katarischen Wüste musste die WM vom Sommer in den Spätherbst/Winter verlegt werden – und man baute acht riesige Fußballstadien. In diesen, durchwegs auf engem Raum an der Ostküste gelegen, würden alle katarischen Staatsbürger einen Sitzplatz finden, denn es gibt nur ca. 350.000. Etwa 90 Prozent der Einwohner Katars sind nämlich Gastarbeiter. Dass diese unter Sklaven-ähnlichen Bedingungen leben und arbeiten, dass es zu vielen tödlichen Unfällen beim Stadionbau kam, ist in den europäischen Medien durchaus thematisiert worden, die Durchführung der WM steht jedoch nicht infrage. Profit geht für die FIFA offenbar vor Menschenrechten. Kerker für Homosexuelle, Peitschenhiebe für Alkoholkonsum, Terrorfinanzierung? Egal, wird sicher eine tolle WM.
Katar-Connection des FCB
Und damit wieder zurück zu PSG. Wer sich ein wenig für die Hintergründe des Qatar Sports Investments und der katarischen Autokratie interessiert, für Menschen‑, Arbeiter- und Frauenrechte, kann nur wenig Sympathie für den französischen Meister und CL-Finalisten von Gnaden arabisch-despotischer fossiler Brennstoffmilliarden aufbringen. Dass man allerdings in einem wichtigen Spiel wie dem CL-Finale mal für den FC Bayern die Daumen drücken müsste, hätten sich viele Fußballfans auch nicht gedacht. Gut, dass es geglückt ist, doch die PSG-Eigentümer werden nicht lockerlassen und für nächste Saison neue Stars um Millionen Euro engagieren. Der CL-Sieg muss – und wird wohl irgendwann – erzwungen werden. Am Ende schießt Geld halt doch das eine oder andere Tor im richtigen Moment. Bei den Bayern darf man sich übrigens zumindest die Frage stellen, wie gut Geld trainiert: Man hat in der Vergangenheit in teure Startrainer investiert, doch Giovanni Trapattoni, Louis van Gaal, Pep Guardiola und Carlo Ancelotti scheiterten alle am Auftrag CL-Sieg. Und nun macht’s Hansi Flick. Doch das ist nicht das Einzige, was beim FCB zu hinterfragen ist, denn – das muss abschließend auch noch raus – auch die Bayern weisen eine Katar-Connection auf: Sie verfügen ebenfalls, schon seit zehn Jahren, über eine Partnerschaft, fliegen jedes Jahr in die Wüste des Scharia-Staates zum Wintertrainingslager, am Trikotärmel prangt das Logo der staatlichen Fluggesellschaft – und Hoeneß und Rummenigge, der schon mal eine vom Emir geschenkte Rolex nach Deutschland schmuggelt, finden alles in Ordnung. Man habe in Katar noch nie einen Sklaven gesehen und würde sogar zur Verbesserung der Menschenrechtslage beitragen… – Das ist der Moment, wo man sich wünscht, RB Leipzig hätte die Champions League gewonnen – zumindest für einen Sekundenbruchteil. Und weil’s eh schon wurscht ist.
Quelle: ORF