Das Kreditkartenunternehmen Card Complete stuft Karenzgeldbezieherinnen offenbar automatisch als finanzielle Risikopersonen ein – ein Fall von Diskriminierung, der aber auch eine Wahrheit des Kapitalismus sichtbar macht.
Graz. Die Antidiskriminierungsstelle der Steiermark berichtet – wieder einmal – über einen besonders dreisten Fall von Frauenbenachteiligung durch ein Finanzinstitut. Ohne dass sie sich irgendetwas zuschulden kommen hätte lassen, wurde einer Mutter in Karenz die Kreditkarte gekündigt. Offenbar war man beim Anbieter Card Complete der Ansicht, dass eine Karenzgeldbezieherin finanziell nicht vertrauenswürdig sei bzw. dass eine Frau mit kleinem Kind wohl ohnedies nicht wieder in den Job zurückkehren würde – daher wurde sie als nicht mehr vertretbarer Risikofall eingestuft. Zu diesem Zeitpunkt war die betroffene Mutter allerdings auch schon zehn Monate in Karenz: Sie hatte mit Karenzgeld und Familienbeihilfe zwar monatlich 300 Euro weniger zur Verfügung als mit ihrem vorherigen Juristinnengehalt (immerhin noch ca. 2.200 Euro), wies aber keinerlei Zahlungsrückstände auf. Die Vorgehensweise des Kreditkarteninstituts stellt offensichtlich einen willkürlichen Diskriminierungsakt dar – aufgrund der quasi-Monopolstellung der beiden Marktführer leicht zu machen.
Monopolunternehmen der Banken
Das Unternehmen Card Complete ist der zweitgrößte Kreditkartenbetreiber Österreichs und verfügt über etwa 1,3 Millionen Kunden (der BAWAG-Konkurrent PayLife hat rund 300.000 mehr). Card Complete befindet sich zu 50,1% im Eigentum der Bank Austria, 25% der Aktien gehören Raiffeisen, angeboten werden Visa, MasterCard sowie die ostasiatischen JCB- und UnionPay-Produkte. Dass österreichische Finanzinstitute Frauen benachteiligen – selbst wenn sie als Akademikerinnen recht gut abgesichert sind –, ist allerdings nur eine Sache. Gleichzeitig sollte man auf politischer Ebene auch nochmals über die Höhe des Karenzgeldes nachdenken sowie generell über die niedrigeren Löhne und Gehälter von Frauen, denn natürlich ist dies die ökonomische und soziale Grundlage für das Fehlverhalten der Banken in unterschiedlichen Bereichen. Man kann sich leicht ausrechnen, dass Arbeiterinnen, Frauen mit geringerem Einkommen oder Alleinerzieherinnen noch mehr benachteiligt werden. Anders gesagt: Frauen – und erst recht jene in Karenz – sind tatsächlich eher gefährdet, in soziale und finanzielle Schwierigkeiten oder gar Armut zu geraten.
Finanzinstitut lenkt ein, Finanzkapitalismus bleibt
Im konkreten Fall traf dies nicht zu und Card Complete lenkte schlussendlich ein, wie die steirische Antidiskriminierungsstelle berichtet: Die Kreditkartenkündigung wurde am vergangenen Mittwoch wieder aufgehoben. Ein Anspruch auf Schadenersatz für die Kundin ist damit aber noch nicht vom Tisch, mehr noch: Da eine systematische Vorgehensweise der Kreditkartenanbieter anzunehmen ist, soll nun geprüft werden, ob es noch mehr Betroffene gibt, was wiederum zu einer Sammelklage führen könnte. Die tatsächliche und tiefere Systematik liegt freilich in der Tatsache, dass der Kapitalismus auf reproduzierter Ungleichheit basiert – um die Menschen bestmöglich ausbeuten zu können, braucht es Diskriminierung, und zu den Opfern gehören nicht zuletzt Frauen. Insofern ist es freilich optimistisch, von Finanzinstituten ein nichtkapitalistisches Verhalten zu erwarten. Jede „auf dem Papier“ erreichte Gleichheit wird durch die Mechanismen der kapitalistischen Produktionsweise und Vermögenverteilung real unterlaufen.
Quelle: ORF