Am vergangenen Samstag verstarb der schottische Schauspieler Sean Connery. Als Geheimagent „James Bond – 007“ wurde er weltbekannt, doch seine Karriere und sein Leben hatten weit mehr zu bieten.
Als Thomas Sean Connery am 25. August 1930 in Edinburgh geboren wurde, war nicht anzunehmen, dass er zu einem der bedeutendsten Filmschauspieler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden sollte. Seine Familie aus der schottischen Arbeiterklasse war arm, der irisch-stämmige Vater war LKW-Fahrer und Fabrikarbeiter, die Mutter verdingte sich als Putzfrau. An eine höhere Schulbildung für „Tommy“ war nicht zu denken, er musste bereits als Jugendlicher zum Familieneinkommen beitragen. Im Alter von 16 Jahren, bald nach Ende des Zweiten Weltkrieges, verpflichtete er sich bei der Royal Navy des Vereinigten Königreichs, nach drei Jahren wurde er aufgrund gesundheitlicher Probleme aus dem Militärdienst entlassen. Connery, der nun vermehrt seinen zweiten Vornamen – Seán, die irische Version von John – verwendete, arbeitete als Milchmann, Fernfahrer, Bademeister, Babysitter sowie, was er später besonders gerne erzählte, als Sargpolierer (ja, gibt’s). In seiner Freizeit war er ein passabler Fußballspieler, sogar Manchester United soll kurzfristig ein Auge auf ihn geworfen haben. Connery konzentrierte sich sportlich jedoch auf eine Art Karriere als Bodybuilder, was ihm ein paar Achtungserfolge sowie Engagements als spärlich bekleidetes Modell für Malereiklassen einbrachte.
Die Freundschaft mit Michael Caine sowie Hilfstätigkeiten als Bühnenarbeiter am King’s Theatre in Edinburgh und am Opernhaus von Manchester dürften dazu beigetragen haben, dass Connery in seinen Zwanzigern das Interesse an Schauspielerei fand. Er nahm Unterricht und stand bald in kleineren Rollen bei Theaterproduktionen in Oxford und London auf der Bühne. Es folgten Engagements für Fernsehserien der BBC, aber auch erste größere Parts in Filmen, wobei die Besetzungen zumeist recht „authentisch“ erfolgten, als Boxer, Soldat, Fernfahrer, Gangster und als irischer Dorfbewohner, der es in einer Disney-Produktion mit grünen Kobolden zu tun bekommt. Langsam machte sich Connery einen Namen, u.a. an der Seite von Lana Turner in „Another Time, Another Place“ (1958), wobei er hierbei schon während der Dreharbeiten prominent in die Medien geriet: Den aus den USA angereisten, mafiösen Freund Turners, der Connery am Set in einem absurden Eifersuchtsanfall mit einer Pistole bedrohte, knockte er kurzerhand aus. Don’t mess with an Irish-Scotsman…
James Bond als Durchbruch und Fluch
Seinen Durchbruch als internationaler Star erlebte Connery mit dem Part, der ihm als „Lebensrolle“ zugeschrieben wird und entsprechend verfolgen sollte. Als zu Beginn der 1960er Jahre – Connery war nun schon über 30 – Ian Flemings populäre Buchreihe über einen britischen MI6-Geheimagenten verfilmt werden sollte, war er einer der Kandidaten für die Hauptrolle des James Bond. Er überzeugte die Produzenten, während Fleming mit dem seiner Meinung nach unkultivierten schottischen Proleten zunächst wenig anfangen konnte – er hätte lieber Cary Grant oder David Niven als wahren „Gentleman-Spion“ gesehen (letzterer kam 1967 in der aberwitzigen Parodie „Casino Royale“ dann übrigens doch noch zu seinem Bond-Auftritt, was Fleming aber nicht mehr erleben musste – er starb schon 1964). So kam es, dass Connery 1962 in „James Bond jagt Dr. No“ als 007 debütierte – der Film wurde trotz geringen Budgets ein weltweiter Kassenerfolg und markierte den Beginn einer der erfolgreichsten Reihen der Kinogeschichte. Connery war über Nacht ein Star. Es folgten vertragsgemäß weitere Bond-Filme, nämlich „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963), u.a. mit Lotte Lenya als grandioser KGB-Agentin, die stilbildende Episode „Goldfinger“ (1964) mit einem unvergleichlichen Gert Fröbe als Bösewicht, sowie „Feuerball“ (1965), der über lange Zeit finanziell erfolgreichste Film der Bond-Reihe. Connery hatte allerdings genug vom einseitigen Dasein als fiktiver und zunehmend absurder Action- und Frauenheld, weswegen er 1967 mit „Man lebt nur zweimal“ seine erste, in der Form geradezu ikonische Abschiedsvorstellung als James Bond gab.
Die 007-Reihe wurde ohne ihn fortgesetzt, mit George Lazenby in der Hauptrolle, der es aber nur auf einen Film brachte („Im Geheimdienst Ihrer Majestät“, 1969). Danach ließ sich Connery in „Diamantenfieber“ (1971) zu einem einmaligen Comeback überreden – dieses basierte auch auf einer angebotenen Rekordgage, die er direkt in seine Stiftung „Scottish International Educational Trust“ steckte (dazu später). 1973 übernahm Roger Moore („Leben uns sterben lassen“). Eine abermalige Rückkehr Connerys sollte es erst zehn Jahre später geben, mit dem passenden Titel „Sag niemals nie“ (1983). Dieser Film steht aber außerhalb der eigentlichen Reihe, was komplizierte Urheberrechtssituationen ermöglichten – und inhaltlich handelte es sich dabei um ein Remake von „Feuerball“, diesmal mit Klaus Maria Brandauer und Kim Basinger. Dem Vernehmen nach wurde Connerys Mitwirkung auch ermöglicht, da dieser die Chance sah, dem eigentlichen Bond-Produzenten Albert Broccoli Paroli zu bieten – dies gelang auch, denn „Sag niemals nie“ gilt als ein Höhepunkt des 007-Films. Trotzdem konnte Connery mit der Figur eigentlich schon lange nichts mehr anfangen: Schließlich meinte er sogar, er lehne sie auch politisch ab, da James Bond ein Imperialist sei. Zugespitzt, aber nicht unrichtig.
Karriere abseits des 007-Genres
Es wäre ohnedies weit verfehlt, Sean Connery immer nur mit James Bond in Verbindung zu bringen, denn er hat weit mehr als diese sieben Filme zu bieten. Bereits in den 60er Jahren begann er, sich von der Rolle zu emanzipieren, u.a. spielte er für Alfred Hitchkock in „Marnie“ (1964) oder für Sidney Lumet in dem Antikriegsklassiker „Ein Haufen toller Hunde“ (1965). Connerys einziger Auftritt als Westernheld („Shalako“, 1968) war zwar kein Erfolg, brachte aber eine Zusammenarbeit mit Brigitte Bardot. 1969 wurde er sogar für einen sowjetischen Film engagiert: „Das rote Zelt“ von Michail Kalatosow zeigte Connery als Polarforscher Roald Amundsen, die Produktion wurde im internationalen Vertrieb jedoch weit unter Wert geschlagen, trotz der Musik von Ennio Morricone. Doch Connery blieb dem anspruchsvollen, politischen Film treu: In „Verflucht bis zum jüngsten Tag“ (1970) ist er als Anführer der historischen irischen Bergarbeiterorganisation „Molly Maguires“ zu sehen, die 1876 in Pennsylvania für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne kämpfte. Es folgten zwei weitere Filme unter der Regie von Lumet, „Der Anderson-Clan“ (1971) und „Sein Leben in meiner Gewalt“ (1972), in dem sexueller Kindesmissbrauch und Polizeigewalt thematisiert wurden. Eine gewisse kultige Perle, wenn man aufs Bizarre steht, ist der postapokalyptische Science Fiction-Film „Zardoz“ (1974), der nicht zuletzt durch Connerys reduziertes Outfit für Verstörung und/oder Begeisterung sorgte. Darüber hinaus arbeitete Connery in dieser Zeit u.a. mit John Huston („Der Mann, der König sein wollte“, 1975), Richard Attenborough („Die Brücke von Arnheim“, 1977) und Michael Crichton („Der große Eisenbahnraub“, 1979) zusammen.
Drei weitere Connery-Filme aus den 70er Jahren sollten hervorgehoben werden – zwei davon inszenierte „Beatles“-Regisseur Richard Lester: In „Robin und Marian“ (1979) spielt Connery an der Seite Audrey Hepburns einen gealterten und traumatisierten Robin Hood an seinem Lebensende. „Explosion in Cuba“ (ebenfalls 1979) ist eine Art „Casablanca“-Variante vor dem Hintergrund der Kubanischen Revolution, die hier zumindest als begründet dargestellt wird. Der erfolgreichste Film Connerys in diesem Jahrzehnt war jedoch die Agatha Christie-Verfilmung „Mord im Orient-Express“ (1974). Hierbei traf Connery als Colonel Arbuthnot nicht nur nochmals auf Sidney Lumet am Regiestuhl, sondern auch auf ein beispielloses Schauspielerensemble: Albert Finney (als Hercule Poirot), Lauren Bacall, Ingrid Bergman, Jacqueline Bisset, Vanessa Redgrave, Michael York, Anthony Perkins und Richard Widmark – dieser Overkill führte allerdings dazu, dass Connery in diesem Film ein wenig blass blieb. Trotzdem hatte er sich längst als Charakterdarsteller etabliert, wie die folgenden beiden Jahrzehnte unterstreichen sollten.
Es kann nur einen Oscar geben
In „Am Rande des Abgrunds“ (1982) übernahm Connery die männliche Hauptrolle im letzten Film von Fred Zinnemann. Die Satire „Flammen am Horizont“ von Richard Brooks aus dem gleichen Jahr, mit dem Originaltitel „Wrong Is Right“ weitaus treffender bezeichnet, verfügt im Rückblick über einen leicht gruseligen Touch: Der US-Präsident, der um seine Wiederwahl fürchtet, und die CIA schalten einen arabischen Herrscher per Mordattentat aus, woraufhin islamistische Terroristen in den USA mit einer Anschlagsserie antworten. Connery als engagierter Journalist entdeckt nicht nur das Mordkomplott, sondern kann schließlich – auf dem New Yorker World Trade Center – sogar eine Atombombenexplosion verhindern. Doch die USA haben trotzdem einen Grund, um im Nahen Osten einen Krieg zu beginnen – wie sich zeigt, hatten die Bomben am WTC jedoch nicht die arabischen Terroristen, sondern geheime US-Behörden selbst deponiert. Eine gelungene Verschwörungstheorie, oder? – Daneben spielte Connery in den 80er Jahren zunächst im Weltraum-„Western“ „Outland“ sowie per Kurzauftritt König Agamemnon in „Time Bandits“ (beide 1981). In „Highlander“ (1986) führte er als spanischer Edelmann den schottischen Auserwählten Connor MacLeod (Christopher Lambert) in den Kampf der Unsterblichen ein. Eine gewissermaßen ähnliche Rolle als Mentor übernahm Connery in „Die Unbestechlichen“ (1987) von Brian De Palma: Als irisch-stämmiger Polizist Jim Malone unterstützt er Eliott Ness (Kevin Costner) im Chicago um 1930 bei der Jagd auf Al Capone (Robert De Niro). Für diese Rolle erhielt Connery 1988 seinen einzigen Oscar – als bester männlicher Nebendarsteller.
Für seine vielleicht größte Rolle bekam Sean Connery hingegen keinen Academy Award zugesprochen. Bereits 1986 verfilmte Jean-Jacques Annaud Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ – die europäische Produktion fand in den USA aber eben wenig Anklang. Doch Connery als detektivischer Franziskanermönch William von Baskerville (ja, eh) brilliert in einem wunderbaren Ensemble, in dem Helmut Qualtinger seinen letzten Filmauftritt hat und lediglich Christian Slater ein wenig verloren wirkt. Freilich, ein 800-Seiten-Roman aus Ecos Feder lässt sich nicht in 120 Minuten auf eine Filmrolle bannen, doch für sich genommen ist der Film ein Meisterwerk, das gerade der Präsenz Connerys viel verdankt. Wesentlich mehr US-amerikanische Aufmerksamkeit erhielt Connery durch sein Mitwirken an Steven Spielbergs „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989), wobei er den etwas entrückten Vater des Titelhelden (Harrison Ford) spielte – mit ein paar tollen Zitaten: „Sieh nur, was du angerichtet hast, Junior!“, „Das nennst du Archäologie?“ sowie natürlich der Hinweis an die Nazis: „Es sagt mir, dass im Stechschritt marschierende Idioten wie Sie die Bücher lieber lesen sollten, anstatt sie zu verbrennen.“ – An den Kinokassen handelte es sich um einen der größten Erfolge in der Karriere von Connery, trotzdem lehnte er eine Rückkehr als Henry Jones Sr. im vierten Teil der Reihe ab – völlig zurecht, wenn man das „Kristallschädel“-Machwerk von 2008 betrachtet.
Vom Blockbuster in die Pension
Im Jahr 1990 wirkte Connery in zwei amerikanischen Filmen mit, die leider ein bisschen im soeben gewonnenen „Kalten Krieg“ verhaftet blieben: In der Tom Clancy-Verfilmung „Jagd auf Roter Oktober“ gibt er einen sowjetischen U‑Boot-Kommandanten und Überläufer, in „Das Russland-Haus“, nach Johne le Carré, einen trinkfesten britischen Verleger. Zumindest letzteres ist aber kein schlechter Film und beinhaltet eine bemerkenswerte Performance von Connery. „Highlander II“ (1991), „Medicine Man“ (1992), „Die Wiege der Sonne“ (1993) sowie „Der 1. Ritter“ (1996, mit Richard Gere) hätte man sich hingegen ersparen können. Dafür glänzte Connery 1991 mit einem Kurzauftritt als Richard Löwenherz in Kevin Costners „Robin Hood“-Version (in der Costner von Alan Rickman jedoch gnadenlos an die Wand gespielt wird). 1996, als Connery eigentlich schon das Pensionsalter erreicht hatte, wirkte er nochmals an einem regelrechten Blockbuster mit: „The Rock“ zeigt ihn als ehemaligen britischen Geheimagenten – subtil, ja –, der gemeinsam mit einem FBI-Weichei eine Operation auf der Gefängnisinsel Alcatraz durchführen soll. Sein Kollege war hierbei mit Nicolas Cage jener Mann, der ihm acht Jahre zuvor gemeinsam mit Cher den Oscar überreicht hatte.
1999 hätte Connery beinahe noch eine, allerdings weniger erfreuliche Auszeichnung erhalten: Für seinen Auftritt in „Mit Schirm, Charme und Melone“ (1998) wurde er als schlechtester Nebendarsteller für eine Goldene Himbeere nominiert (wie lustiger Weise auch Roger Moore im selben Jahr). Für „Verlockende Falle“ (1999) konnte er gleich darauf mit 20 Millionen Dollar trotzdem die höchste Gage seiner Karriere verbuchen. Dies war jedoch schon als Ruhepolster gedacht: In Gus Van Sants Film „Forrester – Gefunden!“ (2000) begeisterte er nochmals Publikum und Kritiker als zurückgezogener Literat, ehe er 2003 mit der „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“ in den Ruhestand ging und keine weiteren Filme drehte. Ein spektakulärer Film und Abschluss einer großen Karriere, aber eine abstruse Geschichte: Als Allan Quatermain führte Connery einen Trupp fragwürdiger, nun ja, Superhelden in den Kampf gegen Professor Moriarty. Dem Drehbuchautor wurde zu Unrecht seine verdiente Himbeere vorenthalten.
Schottische Selbstbestimmung
Abseits des Filmgeschäftes hat Connery ebenfalls ein paar Spuren hinterlassen, zum Beispiel war der Veganer ein engagierter Unterstützer des Meeres‑, Umwelt- und Klimaschutzes. Seine innigste politische Herzensangelegenheit war jedoch die Entwicklung und Selbstbestimmung Schottlands. Mit seiner bereits erwähnten Stiftung, die aus seinen Filmgagen finanziert wurde, unterstützte er Projekte zugunsten der schottischen Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft, vergab aber auch Ausbildungsstipendien für Bedürftige – er wusste aus seiner eigenen Familiengeschichte nur zu gut, was Armut und Perspektivlosigkeit der arbeitenden Bevölkerung Schottlands bedeuten. Connery war ein Verfechter der vollständigen schottischen Unabhängigkeit von Großbritannien und wurde im Jahr 2000 für seine Verdienste um Schottland ironischer Weise von Queen Elizabeth II. zum Knight Bachelor geschlagen. Sir Thomas Sean Connery war auch Mitglied der sozialdemokratisch-linksliberalen „Scottish National Party“ (SNP), die in Edinburgh die Regierung stellt und gegenwärtig ein neues Unabhängigkeitsreferendum anstrebt. Bei dieser neuerlichen Abstimmung wird eine sichere Pro-Stimme nun fehlen.
Sean Connery ist am 31. Oktober 2020 im Alter von 90 Jahren in Nassau auf den Bahamas gestorben. Damit schließt sich auch ein Kreis. In der Karibik, nämlich auf Jamaika, begann die Bond-Reihe mit „Dr. No“, auf den Bahamas-Inseln und im Wasser zwischen diesen sind die 007-Abenteuer „Feuerball“ und „Sag niemals nie“ angesiedelt. Begraben wird Connery jedoch gewiss in schottischer Erde.