Gastbeitrag von Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i. R. für Geschichte an der Universität Innsbruck.
Im August 1920 wurde die k. u. k. Hofbibliothek mit Kabinettsratsbeschluss in „Nationalbibliothek“ unbenannt. Karl Renner hielt als Spitzenvertreter der Sozialisten es für nicht passend, diese mit dem Attribut „österreichische“ zu kennzeichnen, weil ihm der Name „Österreichische Nationalbibliothek“ eine staatsrechtliche Vorgabe bedeutet hätte. Dem einem „Anschluss“ Österreichs an Deutschland stets verbundenen Karl Renner, der 1938 die Annexion des „Sudetenlandes“ durch Deutschland „rechtsgutachtlich“ begründen wollte, war das zuwider. So kam es für die „Nationalbibliothek“ erst nach der Befreiung Wiens durch die „Russen“ zur heute gültigen Namengebung „Österreichische Nationalbibliothek“.
Die Österreichische Nationalbibliothek mit ihren Sammlungen gehört zu den Fundamenten österreichischer Kultur. Alle Kataloge der Österreichischen Nationalbibliothek sind digital bestens erschlossen. Die noch nicht abgeschlossene Digitalisierung vieler Zeitungen mit dem Projekt „anno“ ist großartig. Beispielsweise findet sich im „Österreichischen Beobachter. Tagblatt der alten Kämpfer“ am 1. Juni 1942 eine Spalte mit der Überschrift „Charkow und Kertsch“, wo über jenen „triumphalen Erfolg deutscher Waffen“ berichtet wird, von dem in der Gegenwart die Nazinachkommen in Deutschland wieder sprechen. Der aus einer ukrainisch jüdischen Familie stammende Leo (Jonas Leib) Stern (1901–1982) hat 1945 in Wien eine Broschüre der mit diesen deutschen Waffen verübten „Deutsche Greuel in Russland. Gerichtstag in Charkow“ herausgegeben, welche die Österreichische Nationalbibliothek in ihrem Katalog verzeichnet.
Was kann in der Gegenwart die Österreichische Nationalbibliothek veranlasst haben, in ihrem großen Lesesaal auf einer Regalwand die ukrainische Fahne zu hängen und dazu einige Bücher zur Geschichte der Ukraine aus ihrem Bestand separat aufzustellen? Offenkundig will die Österreichische Nationalbibliothek ihren Benützern vermitteln, dass sie bedingungslos für den ukrainischen Kriegsführer Wladimir Selenskyi Partei ergreift und plakatives Verständnis für den Export deutscher, auch von Österreich aus mit finanzierten Waffen gegen die „Russen“ hat.
Der tagtägliche Völkermord des zionistischen Israel an dem in ein Konzentrationslager eingesperrten palästinensischen Volk schert die kriegstüchtige Führung der Österreichischen Nationalbibliothek, in der es sehr viele Bücher über Palästina und Israel gibt, nicht. Die Österreichische Nationalbibliothek weiß sich in ihrem Wegschauen von dem unsäglichen Leid des palästinensischen Volkes im Einvernehmen mit dem amtierenden Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen. Karl Kraus, dessen Schriften insgesamt von erschreckender Aktualität sind, hat einmal von einem „alten Staatsfalloten“ gesprochen. Anstelle ihre „Kriegstüchtigkeit“ zu signalisieren, müsste die Österreichische Nationalbibliothek vielmehr mit der Friedensfahne eine Auswahl ihrer Bücher über „Wissenschaft und Frieden“ in ihrem Lesesaal aufstellen.