HomeFeuilletonGeschichteMassaker von Tulsa: Exhumierung der Opfer

Massaker von Tulsa: Exhumierung der Opfer

Die Stadt Tulsa bemüht sich um Aufklärung des Black Wall Street Massakers und exhumiert dort gefundene Leichen, um die Opfer zu identifizieren.

Tulsa. Es war einst ein blühendes, von Afroamerikanerinnen und Afroamerikanern bewohntes Viertel der Stadt Tulsa, das da Greenwood District hieß. Die Black Wall Street, wie es zur damaligen Zeit ebenfalls genannt wurde, wurde von einem weißen Mob im Jahr 1921 zur Gänze zerstört. Anlass für die blutigen Unruhen, bei denen bis zu 300 Menschen umgebracht wurden, war wie so oft eine reißerische Falschmeldung in einem Provinzblättchen, das einen angeblichen Vergewaltigungsversuch eines schwarzen Mannes publizierte. Diese Meldungen dienten dazu, die weiße Bevölkerung gegen die schwarze in Stellung zu bringen und Morde aus Lynchjustiz heraus vorzubereiten, die zu den grausamsten Ereignissen der Menschheitsgeschichte gehören.

31. Mai‑1. Juni 1921

Im Bericht der Tulsa Tribune vom 31. Mai 1921 wurde der afroamerikanische Lieferjunge Dick Rowland beschuldigt, die weiße Aufzugführerin Sarah Page sexuell belästigt zu haben. Beweise hierfür wurden aber nie erbracht. Der genaue Wortlaut des Berichts ist auch nicht mehr überliefert, denn nach dem Massaker wurde die entsprechende Ausgabe, Sonderausgaben und Editorials der Tulsa Tribune vernichtet. Zeitzeugen berichteten aber, dass die Zeitung sogar den geplanten, nächtlichen Lynchmord an Rowland ankündigte. 

Vor dem Courthouse und dem Arsenal der Nationalgarde versammelten sich am Abend etwa 2000 weiße Männer, die sich Zutritt zum Waffenlager verschaffen wollten. Bewaffnete Afroamerikaner, die den anwesenden Polizeikräften ihre Hilfe anboten, waren drastisch in der Unterzahl. Sie wurden weggeschickt, da die Polizei vorgab, alles im Griff zu haben. Beim Arsenal begann auch das Massaker gegen 22:30 Uhr, als die Weißen sich in Pogromstimmung noch mehr zu bewaffnen begannen und ohne größere Hindernisse die ersten Feuer legten.

Das Wohn- und Geschäftsviertel Greenwood, das knapp 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner aufwies, wurde im Laufe der Nacht bis zum Morgen niedergebrannt. Ambulanz- und Feuerwehrdienste wurden aktiv bei ihrer Arbeit verhindert. Die Polizeikräfte richteten indessen drei Internierungslager ein, um bewaffnete Schwarze zu entwaffnen und an der Verteidigung ihrer Wohnstätten zu hindern. Erst um 09:15 Uhr trafen Nationalgardisten aus Oklahoma City als Verstärkung ein. Diese halfen zwar dabei, die Brände zu löschen, internierten aber alle afroamerikanischen Personen, die sie finden konnten. Die Weißen wurden dagegen zurück in ihre Häuser geschickt, nur wenige hatten kurz mit Repressalien zu rechnen. Durch die grausamen Ereignisse dieser Nacht wurden 8.000 Menschen obdachlos, insgesamt 40 Häuserblocks wurden innerhalb von wenigen Stunden niedergebrannt. 6.000 dieser Obdachlosen wurden danach interniert und zur Zwangsarbeit gezwungen, um die Verwüstung, die der weiße Mob hinterlassen hatte, zu beseitigen. 

Einen Monat später kam eine Grand Jury zum Schluss, dass die schwarze Bevölkerung von Tulsa selbst schuld an den Randalen gewesen wäre.

Unaufgeklärt

US-Beamte versuchen zurzeit, die Opfer des Massakers von 1921 zu identifizieren, das als Tulsa Race Massacre, Black Wall Street Massacre oder auch unter dem Namen Massaker von Greenwood in die Geschichte einging. In die Geschichte eingehen ist jedoch schon zu viel gesagt: Das Massaker wurde sehr schnell unter den Teppich gekehrt und lange nicht aufgearbeitet.

Erst im Jahr 1997 richtete das Staatsparlament von Oklahoma einen Untersuchungsausschuss ein, der sich mit den damaligen Ereignissen auseinandersetzen sollte. Obwohl die Opferzahl nicht genau festgestellt werden konnte, erkannte die Oklahoma Legislature das Massaker endlich als Unrecht an und es wurden auch Gelder als symbolische Wiedergutmachung flüssiggemacht. Im Jahr 2021, 100 Jahre nach diesem Schandfleck US-amerikanischer Geschichte, besuchte Joe Biden den Ort der Anschläge und konnte durch seinen Besuch von sich behaupten, der erste US-Präsident gewesen zu sein, der dies tat.

Leichen erneut geborgen

Einige der 19 Leichen, die auf einem Friedhof in der Stadt Tulsa exhumiert wurden, sollen erneut geborgen werden, um die Opfer zu identifizieren. Nach der jüngsten Exhumierung von Leichen, von denen einige im vergangenen Jahr vom Oaklawn-Friedhof entnommen wurden, wird eine weitere Ausgrabung nach weiteren Überresten folgen. 14 Leichen erfüllten laut Stadtsprecherin Michelle Brooks die Kriterien für weitere DNA-Analysen. „Das sind diejenigen, die weiter untersucht werden.“, gab Brooks bekannt.

Die sterblichen Überreste wurden zum Intermountain Forensics in Salt Lake City (Utah) geschickt. Brooks erklärte zudem, dass bei zwei Sets genug DNA gefunden wurde, um mit der Sequenzierung zu beginnen. Über die Frage, ob es sich bei den Toten um Opfer oder Täter handelt, konnte noch keine Gewissheit erlangt werden. Keiner der bisher geborgenen Überreste ist als Opfer des Massakers bestätigt. Das Intermountain Forensics bat derweil Personen, die von sich wissen oder glauben, Nachfahren der Opfer zu sein, um genetisches Material, das den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bei der Suche nach möglichen Übereinstimmungen helfen soll.

Bis zu 300 Menschen getötet

Für Historikerinnen und Historiker bleibt unklar, wie viele Menschen bei dem Massaker umgebracht wurden. Es sollen jedoch zwischen 75 und 300 gewesen sein. Häuser und Geschäfte wurden bis auf die Grundmauern niedergebrannt und schwarze Familien waren gezwungen, um ihr Leben zu rennen und ihre Heimat zu verlassen.

Seit vielen Jahren drängen die Überlebenden des Massakers von Tulsa und ihre Nachkommen auf Anerkennung und Wiedergutmachung. Ihre Rufe werden immer lauter, um die US-amerikanische Öffentlichkeit dazu zu bewegen, sich mit ihrer langen Geschichte von Sklaverei, Rassismus und staatlicher Gewalt gegen Schwarze auseinanderzusetzen.

Nach den Exhumierungen wird eine weitere Suche nach Leichen in einem Gebiet südlich und westlich der zuvor in den Jahren 2020 und 2021 ausgegrabenen Bereiche stattfinden. Die letzte Suche wird voraussichtlich am 18. November abgeschlossen sein.

Quelle: bpb / AJ

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