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Opernsänger Nesterenko an Covid verstorben

Am 20. März hat uns der berühmte sowjetische Solist Jewgenij Nesterenko verlassen. Er starb in Wien an Covid, sein Leben war indes von großen Leidenschaften, purer Stimmgewalt und zwei großen Städten geprägt.

Wien. Die Wiener Staatsoper und das Bolschoi-Theater trauern um den großen sowjetischen und russischen Bass-Sänger Jewgenij Jewgenjewitsch Nesterenko. Er verstarb am 20. März an einer nicht näher bestimmten Corona-Infektion.

Neben seiner Tätigkeit als Solist, die ihn weltweit bekannt machte, war er auch ein anerkannter Musikpädagoge, Professor an mehreren Konservatorien und v.a. in Russland für seine rege wissenschaftlich-musikalische Publizistik bekannt.

Zwischen zwei Welten: Bauingenieur und Sänger

Am 8. Jänner 1938 in Moskau geboren, erlebte er die turbulenten und schwierigen Zeiten der nazifaschistischen Invasion und des II. Weltkriegs noch als Kleinkind. Seine Schuljahre verlebte er in der Großstadt Tscheljabinsk am Ural, um dann in Leningrad an der Staatlichen Universität für Architektur und Bauingenieurwesen zu studieren. Neben seinem Studium nahm er Gesangstunden bei der Sopranistin Marija M. Matwejewa-Wejnberger. Nach seinem Abschluss als Bauingenieur im Jahr 1961 arbeitete er ein Jahr lang als Vorarbeiter. 1965 schloss er sein Studium am Leningrader Konservatorium ab, dazwischen konnte er von 1963 bis 1967 im heutigen Michajlowski-Theater Erfahrungen sammeln und als Solist brillieren. 1967–1971 folgten Aufträge im Mariinski-Theater und 1971–2002 im Bolschoi-Theater. In seiner langen Laufbahn als Bass füllte er die wichtigsten Opern der Welt, etwa die Scala in Mailand, die Deutsche Staatsoper in Berlin, die Metropolitan Opera in New York, den Covent Garden in London und nicht zuletzt die Wiener Staatsoper. Seine sehr unterschiedlichen Interessen und seine ungewöhnliche Laufbahn zeigen, wie stark in der Sowjetunion menschliches Talent gefördert wurde, auch wenn es (aus heutiger Sicht) erst spät erkannt wird.

Nesterenko war Träger vieler Auszeichnungen in- und außerhalb seiner Heimat, wovon drei besonders hervorzuheben sind: 1976 wurde ihm der sehr seltene Ehrentitel Volkskünstler der UdSSR verliehen, 1982 wurde er mit dem Leninpreis und 1988 mit dem Leninorden (damit einhergehend auch mit dem Titel: Held der sozialistischen Arbeit) ausgezeichnet. Ab 1974 war er Mitglied der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU).

Zwischen zwei Welten: Moskau und Wien

Neben Moskau als Schauplatz seiner musikalischen Aussagekraft und Genialität verschlug es Nesterenko oft und für jeweils längere Zeit in die österreichische Hauptstadt. Sein Debüt an der Wiener Staatsoper gab er im Jahr 1975 im Gewande des Filippo II. aus Don Carlo. Insgesamt trat er in Wien an 56 Abenden auf und verkörperte acht prominente Rollen: Ramfis (Aida), den Wassermann (Rusalka), Mephistopheles (Faust), Sarastro (Die Zauberflöte), Basilio (Il barbiere di Siviglia), Banquo (Macbeth) und Boris Godunow im gleichnamigen Werk. Er wurde 1993 zum österreichischen Kammersänger ernannt.

Zeitgleich übte er aber von 1975–1993 eine Professur in Moskau am Moskauer Konservatorium aus, daraufhin folgten zehn Jahre als Professor am Konservatorium der Stadt Wien und in seiner Lehrtätigkeit bildete er viele junge Talente aus. Neben seinem Hauptberuf fand Nesterenko noch die Zeit an ungefähr 200 Publikationen zu arbeiten, worunter mehrere Bücher als Autor oder Herausgeber über Musik und Pädagogik, Artikel und Interviews gezählt werden.

Am 20. März starb Jewgenij Nesterenko mit 83 Jahren am Coronavirus, er lässt dabei ein Leben voller Musik und glücklicher Fans zurück, die sich über mehrere Generationen erstrecken. Etappen seines Schaffens sind aufgezeichnet und z.T. auch auf Youtube abrufbar, sodass sein Werk auch neue Generationen an Musik und an die Liebe zur Musik heranziehen wird.

Die sich zurzeit in Quarantäne befindende Familie Nesterenko, der in erster Linie das Beileid gilt, wird zunächst von größeren öffentlichen Trauerfeierlichkeiten absehen.

Quelle: Rizospastis/Wiener Staatsoper/Lenta

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