Spanien. Oviedo. Der Schriftsteller und Widerstandskämpfer Luis Sepúlveda ist gestern an den Folgen des Coronavirus gestorben.
Wir wollen ihm einige Zeilen widmen und versuchen, sein vielseitiges Leben, das scharf vom Kampf gegen dieses System gezeichnet war, nachzuverfolgen.
Besonders war er zweifelsohne für sein literarisches Schaffen bekannt, so z.B. durch Der Alte, der Liebesromane las (1989), Die Welt am Ende der Welt (1989), Tagebuch eines sentimentalen Killers (1998), aber auch Wie Kater Zorbas der kleinen Möwe das Fliegen beibrachte (1996), um nur einige der bekanntesten Werke zu zitieren. So wird es nicht wenige verwundern, die ihn nur dem literarischen Renommee nach kannten, dass Luis Sepúlveda eine revolutionäre Vergangenheit hatte. Ein mit Freud und Leid erfülltes Leben, das er sich mehr als einmal, allen Widrigkeiten zum Trotz, erkämpfen musste.
In gewisser Weise war sein Leben bereits vor seiner Geburt durch die aufgezwungenen politischen Umstände vorgezeichnet: Luis Sepúlvedas Großvater, Gerardo Sepúlveda Tapia, war ein andalusischer Anarchist, der nach Südamerika fliehen musste, um der Todesstrafe zu entgehen. Luis selbst wurde auf der Flucht in einem kleinen Hotelzimmer in Ovalle geboren. Es war das Jahr 1949. Die Eltern mussten gleich nach seiner Geburt aufgrund einer Denunziation entkommen, Luis wurde daraufhin von seinem Großvater und einem Onkel in Valparaíso aufgezogen. Durch sie lernte er die Literatur kennen: Cervantes, Salgàri, J. Conrad und Melville, gerade Abenteuerromane hatten es ihm angetan.
Schon als Schüler ließ er seinen Gedanken freien Lauf und machte sich mit der einzigen ihm zur Verfügung stehenden Waffe aufmerksam: Er schrieb. Er schrieb Gedichte, er schrieb kleine Erzählungen, er schrieb sie für eine kleine Schülerzeitung. Mit 15 Jahren war Luis Sepúlveda Mitglied der Kommunistischen Jugend Chiles geworden, zwei Jahre darauf wurde er Redakteur der Tageszeitung Clarín. Für seine erste Sammlung von Erzählungen, Crónicas de Pedro Nadie, wurde ihm 1969 der Preis Casa de las Americas verliehen, außerdem ein Stipendium für die Lomonossow-Universität in Moskau.
Im Zuge seiner bewegten Jugend übersiedelte er nach Bolivien, wo er im Ejército de Liberación Nacional (ELN), der nationalen Befreiungsarmee Boliviens aktiv mitkämpfte.
Nach seiner Rückkehr nach Chile, trat er der Sozialistischen Partei bei und und wurde Mitglied des GAP (Grupo de Amigos Personales), der Leibgarde von Salvador Allende. Nach dem faschistischen Pinochet-Putsch 1973 wurde er sieben Monate lang gefoltert. Auf Druck von Amnesty International wurde seine Haftstrafe in Hausarrest umgewandelt. Nach einer Zeit im Untergrund wurde er jedoch wieder verhaftet – diesmal zu 28 Jahren Haft verurteilt. 1977 aber gelang ihm endgültig die Flucht aus der Militär-Diktatur.
Bereits ein Jahr darauf war er für den Frente Sandinista de Liberación Nacional in der Internationalen Brigade Simon Bolivar in Nicaragua aktiv, um das Land von der Herrschaft des Somoza-Klans zu befreien. Zuvor hatte er noch einige Monate in Ecuador verbracht, wo er im Amazonas-Regenwald mit dem indigenen Stamm der Shuar zusammenlebte. Aus diesen Erfahrungen entsprangen die Grundgedanken für seinen internationalen Erfolgsroman Der Alte, der Liebesromane las.
Politisches Asyl erhielt Sepúlveda von Deutschland, so übersiedelte er 1980 für zehn Jahre nach Hamburg. Deutsch hatte er im Gefängnis gelernt. Mit dem Land verband er v.a. die romantischen Schriftsteller Hölderlin und Novalis.
Mitte der 90er Jahre zog es Sepúlveda nach Spanien, wo er gestern den Folgen der Covid19-Pandemie erlegen ist. Es verlässt uns damit ein vielfältig begabter chilenischer Künstler: Journalist, Radiosprecher, Regisseur, Poet und Schriftsteller, vor allem aber ein Kämpfer, der alle ihm zur Verfügung stehenden Waffen nutzte, um die Missstände des Kapitalismus publik zu machen und dagegen mit ganzer Kraft anzugehen. Wir wollen ihn mit seinen eigenen Worten in Erinnerung behalten:
„Wir träumen davon, dass eine andere Welt möglich ist und wir werden diese andere, mögliche Welt verwirklichen … wenn wir in unseren Träumen nicht bis zum Äußersten kühn sind und nicht an sie glauben, bis sie Wirklichkeit geworden sind, dann verwelken sie, sterben sie, und wir mit ihnen.“ (aus: El poder de los sueños 2004)