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Orbáns Provokation funktioniert

Der Schal, den der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán bei einem Fußballspiel um den Hals hatte, sorgt für aufgeregtes Gegacker auch bei den österreichischen Grünen und Sozialdemokraten. Ganz so, als hätten wir keine anderen Sorgen.

Budapest. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán gehört ohnehin nicht zu den Lieblingen in Brüssel, da er es wagt, der hirnlosen Kriegsunterstützung, die seitens der EU der Ukraine gewährt wird, immer wieder zu widersprechen. So droht er aktuell, dass Ungarn die geplanten 18 Milliarden, die im Jahr 2023 zur Aufrechterhaltung des Staatsbetriebs nach Kiew fließen sollen, im EU-Rat zu blockieren. Hintergrund der ungarischen Blockadedrohung ist aber sicher auch das Zurückhalten von EU-Geldern, die dem Land zustehen, mit dem Vorwurf mangelnder Rechtsstaatlichkeit. Nun hatte Ungarn 17 Auflagen zu erfüllen, und hat diese nach eigener Anschauung erfüllt und bei der EU-Kommission eingereicht. Manche halten das mehr für einen belanglosen Formalakt denn für wirkliche Bemühungen von Ungarns Regierung, mehr Rechtsstaatlichkeit herzustellen und die (eigene?) Korruption zu bekämpfen.

Um diese aus seiner Sicht entbehrlichen Diskussionen über Ungarns innere Verhältnisse ein wenig abzufangen, hat der gewiefte Taktiker Orbán beim Länderspiel des ungarischen Fußball-Nationalteams gegen Griechenland eine gezielte Provokation gestartet. Er hängte sich einen Fan-Schal um, auf dem die Umrisse Großungarns, also des Königreichs Ungarn, das 1920 mit dem Vertrag von Trianon endgültig Geschichte war, zu sehen waren. Zu diesem Großungarn gehörten Gebiete des heutigen Österreichs, der Slowakei, Rumäniens, Kroatiens, Sloweniens, Serbiens und der Ukraine, wobei auch heute noch in vielen dieser Gebiete unterschiedlich starke ungarische Minderheiten existieren. Vor allem in der Ukraine, Rumänien, der Slowakei und Serbien sprechen immer noch sehr viele Menschen ungarisch, und für sie ist es in Ungarn ermöglicht worden, die ungarische Staatsbürgerschaft zu bekommen, weshalb viele Doppelstaatsbürger sind. Bei Wahlen werden diese Auslandsungarn mit Bussen zu den Abstimmungen gebracht und sie bilden ein treues Wählerreservoir für Orbán, dem sie für ihre Einbindung in das ungarische Staatswesen dankbar sind.

Besonders wütend reagierten Politiker aus der Ukraine, aus Rumänien und der Slowakei auf Orbáns Schal. Auch in Österreich machten sich einige SP- und Grünen-Politiker wichtig, ganz so, als würde Orbán planen, in Oberwart (ungarisch Felsöör) demnächst einzumarschieren. 

Einzig die Ukraine muss solche Ambitionen halb ernst nehmen, denn sollte sie zerfallen, würde höchstwahrscheinlich nicht nur Polen seinen historischen Teil der Westukraine einfordern, sondern auch Ungarn den seinen in den angrenzenden Gebieten.

Der kroatische Staatspräsident Zoran Milanovic hingegen riet von einer offiziellen Reaktion Zagrebs ab. „Ich muss darüber lachen. Seine Ambitionen auf Kroatien beschränken sich darauf, dass er im August einen Monat lang an der Adria herumkreuzt und wir uns zum Abendessen treffen“, sagte Milanovic mit Blick auf Orbán. Man dürfe keine besondere Aufmerksamkeit darauf verwenden. „Wenn man sich anschaut, welche Nachbarn wir haben, ist dieser noch der beste“, meinte der Präsident.

Orbán hat auf jeden Fall erreicht, dass in der EU heftig über seinen Schal diskutiert wird, und nicht über die Korruption und den Rechtsstaat in Ungarn. Er wird das Hühnergegacker in den Nachbarländern mit einem zufriedenen Schmunzeln zur Kenntnis nehmen.

Quelle: ORF

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