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Alpine Ski-WM 2023: Bilanz eines österreichischen Debakels

Österreichs Ski-Team verlässt Frankreich ohne WM-Gold. Rang 8 im Medaillenspiegel ist eine historische Blamage, die der ÖSV ernst nehmen muss.

Courchevel/Méribel. Die 47. Alpine Ski-Weltmeisterschaft ging am gestrigen Sonntag in Savoyen zu Ende. Der finale Bewerb – der Slalom der Männer – brachte nochmals tolle Geschichten: Dem Norweger Henrik Kristoffersen gelingt eine beeindruckende Aufholjagd vom 16. Platz nach dem ersten Durchgang zur Goldmedaille; A.J. Ginnis holt mit Silber sensationell die erste WM-Medaille für Griechenland. Die Österreicher enttäuschen neuerlich: Manuel Feller verspielt seine Halbzeitführung und wird 7., Marco Schwarz landet auf Rang 6.

Somit stehen für Österreich bei der WM in Frankreich unterm Strich sieben Medaillen zu buche, drei Silberne und vier Bronzene. Die Gesamtzahl mag man annehmbar finden, das Fehlen von Gold bedeutet im Medaillenspiegel jedoch einen blamablen 8. Platz – nicht nur weit hinter der Schweiz (3xG, 3xS, 1xB) und Norwegen (2xG, 3xS, 4xB), wo man jeden Anschluss verloren hat, sondern auch hinter den USA, Italien, Kanada, Frankreich und Deutschland. Gewiss, irgendwie handelt es sich um Jammern auf hohem Niveau, aber die Latte liegt nun mal dort, wo man sie selbst aufgelegt hat: Wenn man sich immerzu als „Ski-Nation Nr. 1“ versteht und tituliert, dann wird man auch daran gemessen. Verglichen mit den Ansprüchen und der Historie ist das Ergebnis der WM 2023 tatsächlich gänzlich inakzeptabel.

Apropos Historie: Von bislang 47 Weltmeisterschaften verliefen nur sieben noch miserabler für den Österreichischen Skiverband (ÖSV) – obwohl es früher weniger Bewerbe und somit Medaillenchancen gab. Und man muss ins Jahr 1987 zurückblicken, um eine Alpine Ski-WM zu finden, von der Österreich ohne Goldmedaille abreisen musste. Damals in Crans-Montana war Roswitha Steiner im Slalom noch am nächsten dran, erreichte aber auch nur Silber (wie Sylvia Eder und Günther Mader). Heute ist Steiner als verheiratete Roswitha Stadlober Präsidentin des ÖSV. In dieser Funktion wird sie sich Gedanken machen müssen, wie man derartige Desaster wie in Courchevel und Méribel künftig verhindert. Tatsache ist: Fast das gesamte Trainerteam war in dieser Saison neu, doch verbessert hat sich nichts – im Gegenteil.

Gehen wir’s durch: In keiner Weise konkurrenzfähig sind gegenwärtig die ÖSV-Technikerinnen (kein Top-10-Platz bei der WM), während es bei den Männern hier etwas besser aussieht. Dafür lieferten die Speedfahrer im Gegensatz zu ihren weiblichen Kolleginnen eine überraschende Nullnummer. Allerdings verbleibt nach dem kurzfristigen Rücktritt von Matthias Mayer nun Vincent Kriechmayr als Alleinunterhalter – und von diesem kann man auch nicht jedes Mal einen Doppelschlag wie bei der WM 2021 erwarten. Die Parallelbewerbe – im Einzel wie im Team – scheint man bei ÖSV nicht weiter ernst zu nehmen, Raschners zweiter Platz erscheint als Zufälligkeit. Ähnliches gilt für die Kombination, wo die österreichischen Medaillen eher „passieren“ – und dass es völlig sinnlos ist, Speedfahrer in eine Kombination zu schicken, sollte nach Jahrzehnten endlich auch bis zum ÖSV durchgedrungen sein. Uns so bleiben als positive Schlaglichter aus rot-wie-roter Sicht v.a. individuelle Resultate, von Schwarz, der sich zum Allrounder entwickelt, von Ortlieb und Hütter sowie durch die Geschwister Haaser, wenngleich sich letztere als One-Hit-Wonder entpuppen könnten.

In zwei Jahren findet die 48. Alpine Ski-WM in Saalbach-Hinterglemm statt. Bei dem Heim-Event darf es nicht nochmals ein Debakel wie in Frankreich geben. Da dieses – wie die vergangene und die heurige Weltcup-Saison zeigen – kein Betriebsunfall ist, sondern Resultat und Ausdruck eines nicht (mehr) funktionierenden ÖSV-Betriebes, herrscht akuter Handlungsbedarf. Bis 2025 muss es Verbesserungen geben, systematische Optimierungen werden aber länger brauchen.

Im ewigen WM-Medaillenspiegel ist Österreichs Vorsprung einstweilen noch ausreichend: Der ÖSV kommt seit 1931 auf den unangefochtenen Spitzenwert von 309 Mal Edelmetall (101xG, 107xS, 101xB). Die Schweiz als erster Verfolger steht nun bei 210 Medaillen (72xG, 73xS, 66xB). Mathematisch könnte man sich also noch die eine oder anderen Debakel-WM leisten, sportlich jedoch nicht.

Quelle: ORF

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