HomeFeuilletonSportFußballbundesliga: Jährlich grüßt das Bullentier

Fußballbundesliga: Jährlich grüßt das Bullentier

Der österreichische Fußballmeister 2020 heißt wenig überraschend abermals FC Red Bull Salzburg. Zwei Runden vor Schluss wurde der Titel fixiert, die ersten Verfolger Rapid Wien und LASK können die Roten Bullen mathematisch nicht mehr einholen.

Salzburg. – Bereits zum siebenten Mal in Folge geht der Meistertitel in der österreichischen Fußballbundesliga an RB Salzburg. Seit der Übernahme des früheren Traditionsvereins SV Austria Salzburg durch die Red Bull GmbH von Dietrich Mateschitz vor Beginn der Saison 2005/06 ist es sogar der elfte Titel, nur viermal reichte es lediglich für den zweiten Platz (je einmal hinter Sturm Graz und Rapid sowie zweimal hinter Austria Wien), hinzu kommen sieben Pokalsiege – auch heuer ist es wieder ein Double. Im Corona-bedingt leeren Stadion von Wals-Siezenheim fiel die Meisterfeier am vergangenen Sonntag freilich ein wenig mau aus, der chancenlose TSV Hartberg erwies sich mit einem standesgemäßen 0:3 aber auch nicht gerade als engagierter Partycrasher.

Sportliche und finanzielle Vorherrschaft

Die Dominanz von RB Salzburg in der österreichischen Bundesliga ist und bleibt somit ungebrochen, nur zwischenzeitlich sah es so aus, als könnten heuer die Athletiker aus Linz ein ernsthafter Konkurrent sein – die oberösterreichische Tabellenführung hatte jedoch keinen Bestand, mit oder ohne Punkteabzug für einen Verstoß gegen die Corona-Regeln. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die immense Finanzkraft des Red Bull-Konzerns für die Vorherrschaft des „Dosenvereins“ verantwortlich ist. Bei einem Jahresumsatz (in der Vorsaison) von knapp 120 Millionen Euro liegen die Salzburger tatsächlich weit vor der Konkurrenz: Das Budget von Rapid beläuft sich auf etwa 50 Millionen, dann folgen die Austria (38 Mio.), Sturm (19 Mio.) und der LASK (15 Mio.). Allein für das Personal wendet RB 52 Millionen Euro auf – Rapid 22 und der LASK acht Millionen. Es versteht sich von selbst, dass sich der Serienmeister offenkundig den teuersten, besten und größten Kader in der österreichischen Bundesliga leisten kann – und auch prominente Trainer, so in der Vergangenheit u.a. Giovanni Trapattoni oder Huub Stevens. „Geld schießt keine Tore“, heißt es gerne, doch ist es eine gute Voraussetzung dafür.

Fußballvereine als kapitalistische Unternehmen

Trotzdem ist es nicht ganz so einfach. In der Saison 2018/19 stand auch ein Nach-Steuer-Gewinn von RB Salzburg von etwa 25 Millionen Euro zu buche. Anders gesagt: Die Salzburger Überlegenheit speist sich inzwischen nicht mehr aus den Mateschitz-Milliarden, sondern trägt sich finanziell selbst: RB Salzburg ist ein funktionierendes, profitables Unternehmen. Das hat zum einen damit zu tun, dass man durch bemerkenswerte Erfolge in der UEFA-Europa League und die Teilnahme an der Champions League zusätzlich zig Millionen lukrieren kann. Aber auch die Spielerverkäufe bringen den Salzburgern hohe Einnahmen. Man darf nicht vergessen (auch in sportlicher Hinsicht): RB Salzburg verliert in den Transferfenstern zu jeder Sommer- und Winterpause mehrere seiner besten Spieler, die sodann in die großen europäischen Ligen weiterziehen, darunter zuletzt etwa Erling Haaland, der zu Borussia Dortmund wechselte. Sadio Mané, der gerade mit dem FC Liverpool englischer Meister wurde, kommt ebenfalls aus dem „Bullenstall“ und gilt heute als ein absoluter Topstar auf der Insel. Allein in der deutschen Bundesliga tummeln sich an die zwanzig Spieler (und Trainer), die eine Vergangenheit bei RB Salzburg haben, ein Gutteil davon freilich beim Schwesterverein RB Leipzig, aber auch z.B. bei Gladbach, Hoffenheim oder Frankfurt. Nichtsdestotrotz, ungeachtet dieses gewaltigen Aderlasses, gelingt es den Salzburgern, ihre dominante Position zu halten und sich jedes Jahr erfolgreich zu reproduzieren.

Reproduktionssystem von RB Salzburg

Diese Tatsache ist mit dem tieferen Selbstverständnis verbunden. Die ursprüngliche Befürchtung, RB Salzburg würde etablierte Stars zusammenkaufen und von den anderen österreichischen Vereinen abwerben, um eine Vormachtstellung zu erlangen, hat sich nur im geringeren Ausmaß bestätigt. In Wirklichkeit setzt RB immer auf junge Spieler, die ihre große Zukunft noch vor sich haben. Was bei den Salzburgern offenkundig massiv besser funktioniert, ist das systematische Scouting von Talenten – und dies international, wozu auch die Dependancen in Afrika und Brasilien beitragen, sowie die Heranführung der Spieler über den zweitklassigen FC Liefering. Hier wird das Geld investiert – nicht in namhafte Altstars und Nationalteamspieler –, auf professionellste Weise. Nicht umsonst steht in den vergangenen Jahren auch der Sieg in der UEFA Youth League auf der Habenseite. RB Salzburg hat sich einen Namen als hervorragender Ausbildungsverein gemacht, was von vielen jungen Spielern aus aller Welt gerne als Karrieresprungbrett genützt wird. Die früheren österreichischen Platzhirsche – Rapid, Austria oder die Admira besserer Tage – können das nicht (mehr) von sich behaupten. Wenn diese Kluft nicht geschlossen wird, dann bleibt auch die Vorherrschaft der Roten Bullen bestehen und wird sich sogar weiter verfestigen.

Fußball und Kapitalismus

Man braucht den Retortenverein RB Salzburg wahrlich nicht schönreden. Es bringt jedoch auch wenig, andauernd auf trotzige, realitätsferne Weise über den „modernen Fußball“, „Gloryhunter-Fans“ und die „Geschäftemacherei“ zu lamentieren, denn im Kapitalismus ist Fußball unweigerlich ein Geschäft – und das ist im Falle des „1. Wiener Arbeiterfußballvereins“ Rapid Wien letztlich auch nicht anders, denn es kann gar nicht anders sein. Es spielt keine Rolle, ob nun ein Mäzen aus Fuschl, ein austro-kanadischer Magnat, ein ostasiatischer Investor, ein amerikanischer Spekulant, ein arabischer Scheich, ein russischer Oligarch oder ein deutscher Billigfleischproduzent das Ruder in der Hand hat. Oder ein italienischer Automobilkonzern, ein deutscher Pharmakonzern oder eine Softwarefirma, oder aber eben ein Wiener Energieunternehmen im quasi-kommunalen SPÖ-Eigentum – das Ergebnis ist immer das Gleiche, nur auf unterschiedlichen Ebenen. Alles Andere ist inszenierter Schall und Rauch und bildet die ergänzende Pyrotechnik zum volkstümlichen Opium erlebnisorientierter Ablenkungsevents vor Ort und im Pay-TV. Wer einen anderen Fußball will, wird ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem brauchen. Eine vorsichtige Prognose für 2021: Der österreichische Meister wird FC Red Bull Salzburg heißen.

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