HomeFeuilletonVor 35 Jahren wurde Thomas Sankara ermordet

Vor 35 Jahren wurde Thomas Sankara ermordet

Thomas Isidore Noël Sankara, (1949–1987) war vom 4. August 1983 bis zu seiner Ermordung am 15. Oktober 1987 der fünfte Präsident von Obervolta und der erste Präsident Burkina Fasos. Als Berufsoffizier und Revolutionär durch einen Militärputsch an die Macht gekommen, gründete er den Nationalen Revolutionsrat (CNR).

Sankara verstand sich als sozialistischer Revolutionär. Die Devise lautete wortgetreu einer Parole der kubanischen Revolution nachempfunden: „Vaterland oder Tod, wir werden siegen“ („La Patrie ou la Mort, nous vaincrons“). Neben der Politik des sozialistischen Kuba inspirierten ihn die Reformen des Staatschefs von Ghana, Jerry Rawlings. Auch der Sowjetunion, die er mit einer Delegation von 50 Mitstreitern besuchte, brachte er großen Respekt entgegen.

In seiner Regierungszeit setzte er ein vielbeachtetes Projekt der planwirtschaftlichen und sozialistischen Entwicklung des Landes um. Die Luxuslimousinen der vorangegangenen Regierung wurden verkauft und die Minister verpflichtet, den Renault 5, das billigste Auto in Burkina Faso, zum Dienstwagen zu nehmen. In seiner Regierungsmannschaft befanden sich so viele Frauen wie nie zuvor in einem afrikanischen Staat, seine Leibwache bildete eine nur von Frauen gebildete Einheit auf Motorrädern. Sankara richtete außerdem – in Anlehnung an Kuba – Komitees zur Verteidigung der Revolution (CDR) ein. Innerhalb weniger Wochen wurden 2,5 Millionen Kinder gegen Meningitis, Gelbfieber und Masern geimpft. Eine nationale Alphapetisierungskampagne steigerte die Zahl der Menschen, die des Lesens und Schreibens kundig waren, von 13 Prozent im Jahr 1983 auf 73 Prozent im Jahr 1987. 

Gegen Rückzahlung der Schulden an den Westen

Er ernannte Frauen in hohe Regierungsämter, ermutigte sie zu arbeiten, rekrutierte sie für das Militär und gewährte Schwangerschaftsurlaub während der Ausbildung.
Er verbot weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsehen und Polygamie und setzte sich für Frauenrechte ein. Er verteilte das Land an die Bauern Burkina Fasos. So konnte die Weizenproduktion innerhalb von drei Jahren von 1700 kg pro Hektar auf 3800 kg pro Hektar gesteigert werden, was dazu führte, dass sich das Land selbst versorgen konnte, was im postkolonialen Afrika eine Seltenheit war. Er lehnte ausländische Entwicklungshilfe ab, da er sein Land nicht in Abhängigkeiten verstricken wollte. In Zusammenkünften der Organisation für Afrikanische Einheit sprach er sich gegen die Rückzahlung von Schulden an den Westen aus. Er argumentierte, dass die Kredite, die die postkolonialen Länder angenommen haben, erst durch den früheren Kolonialismus nötig wurden. In der Hauptstadt Burkina Fasos Ouagadougou ließ Sankara das Versorgungslager des Militärs in den ersten Supermarkt des Landes umbauen. Dieser stand allen Bürgern offen. Er ließ alle Staatsbediensteten eine monatliche Summe für öffentliche Projekte zahlen. Als Präsident senkte er sein Gehalt auf 450 Dollar pro Monat und beschränkte seinen Besitz auf ein Auto, vier Motorräder, drei Gitarren, einen Kühlschrank und eine kaputte Gefriertruhe. Er verbot das Aufhängen von Porträts, die ihn zeigten, da er einen Personenkult verhindern wollte. Als ehemaliger Gitarrist einer Jazzband schrieb er die Nationalhymne Burkina Fasos selbst Er ließ über 10 Millionen Bäume pflanzen, um die Desertifikation aufzuhalten. Er ließ die Gehälter aller Staatsbediesteten, einschließlich ihm selbst, kürzen.

Am 4. August 1984, dem ersten Jahrestag der August-Revolution (Révolution d’Août), wurde Obervolta in Burkina Faso (Land der Aufrechten) umbenannt, und das Land gab sich eine neue Nationalflagge und eine neue Nationalhymne. 

In einer berühmt gewordenen Rede vor der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) im Juli 1987 sagte er: „Die Ursprünge der Schulden sind auf die Ursprünge des Kolonialismus zurückzuführen. Geld wurde uns von denen geliehen, die uns kolonisiert haben.“ Die Schulden seien »das Mittel einer geschickt organisierten Rekolonisierung Afrikas«, und dieselben, »die uns in die Verschuldung führten, haben sich aufgeführt wie in einem Kasino. Solange sie gewannen, gab es keine Diskussion. Jetzt, wo sie im Spiel verloren haben, fordern sie von uns die Rückzahlung.« Sankara schloss mit der Vorhersage: »Wenn Burkina Faso sich alleine weigert, die Schulden zu bezahlen, bin ich auf der nächsten Konferenz nicht mehr da.« Deshalb forderte er von den anwesenden afrikanischen Staaten eine gemeinsame Verweigerung der Schuldenrückzahlung ein.

Die Ermordung Sankaras

Drei Monate später waren er und zwölf seiner Mitstreiter tot, von Kugeln durchsiebt. Zwei Militärärzte bescheinigten: »natürliche Todesursache«. Am 8. August 2022 sagte sein Onkel Mousbila Sankara, 1987 Botschafter in Libyen, dem Nachrichtenportal lefaso​.net: »Wenn man auf internationaler Ebene gegenüber den Großmächten solche Positionen einnimmt, hatte man zu unserer Zeit kaum eine Chance, lange zu leben, und das ist Thomas passiert.«

Am 11. Oktober 2021, 34 Jahre nach der Ermordung Thomas Sankaras, begann ein Prozess vor einem Militärgericht in Ouagadougou zur Aufklärung der strafrechtlichen Verantwortung. 14 Personen wurden angeklagt. Als Hauptverdächtiger galt Blaise Compaoré, der aber laut seinen Anwälten als Ex-Präsident Immunität genieße. Blaise lebt in der Elfenbeinküste erschien auch nicht vor Gericht. 

Am 6. April 2022 verurteilte das Gericht Blaise Compaoré in Abwesenheit zu lebenslanger Haft wegen Angriffs auf die Staatssicherheit, Mittäterschaft bei der Ermordung Sankaras und Verbergen einer Leiche. Die Anklage hatte 30 Jahre Haft für Compaoré beantragt. Gilbert Diendéré und Hyacinthe Kafando erhielten ebenfalls lebenslange Haftstrafen.

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