In Luxemburg folgte einem Protestaufruf der Gewerkschaftsverbände die größte Massenkundgebung seit langem. Auch die Kommunistische Partei Luxemburgs (KPL) war dabei, als über 25.000 Menschen gegen soziale und arbeitsrechtliche Verschlechterungen demonstrierten.
Luxemburg. Seit langer Zeit hatte es keinen solch gewaltigen Aufmarsch der Lohnabhängigen mehr in Luxemburg gegeben. Dem Aufruf der Gewerkschaftsfront von OGBL und LCGB waren, wie OGBL-Präsidentin Nora Back gleich zu Beginn der Abschlusskundgebung auf dem “Knuedler” am vergangenen Samstag verkündete, mehr als 25.000 Menschen gefolgt.
Dem Protestzug angeschlossen hatten sich Gewerkschaftsvertreter aus den Nachbarländern Belgien, Frankreich und Deutschland, die italienische CGIL, die Aleba, die Parteien LSAP, déi Lénk, KPL, Piraten und Focus sowie Dutzende Vereinigungen aus dem Sozialbereich, dem Umweltbereich sowie Organisationen, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte einsetzen. Sie alle waren gekommen, um deutlich zu machen, dass sie die von Christlich-sozialer Volkspartei (CSV) und Demokratischer Partei (DP) geplanten sozialen und arbeitsrechtlichen Verschlechterungen sowie rückwärtsgewandte Entscheidungen in weiteren gesellschaftlichen Bereichen, durch welche diese Regierungspolitik sich auszeichnet, kategorisch ablehnen.
In ihrer Ansprache griff OGBL-Präsidentin Nora Back die Politik der neoliberalen und kaltherzigen Regierung an, die im sozialen und arbeitsrechtlichen Bereich alles zerstören wolle, was Generationen von Lohnabhängigen aufgebaut haben und damit die Ungleichheiten noch verschärfen wolle.
Die Schaffenden hätten ein System satt, das allein den Reichen und Großbetrieben diene und in dem die Lohnabhängigen den Reichtum schaffen, wovon andere aber das meiste einsäckeln.
Parallel dazu habe diese Regierung nun vor, die Löhne, und sogar den Mindestlohn, die Kollektivverträge, die Arbeitszeiten, das Manifestationsrecht, die Mitbestimmung und nun auch die Renten der Schaffenden anzugreifen. Damit müsse Schluss sein.
Andererseits sei die Regierung offenbar der Ansicht, dass es nicht zumutbar sei, dass Betriebe ein halbes Prozent mehr Beitrag für ihre Beschäftigten einbezahlen, obwohl sie hierzulande die niedrigsten Steuern und Sozialabgaben entrichten. Die gleiche Regierung haben hingegen kein Problem damit, den Lohnabhängigen fünf Lebensjahre zu stehlen, indem sie die tatsächliche Lebensarbeitszeit heraufsetze.
Die Gewerkschaftspräsidentin stellte klar, dass die Union des Syndicats OGBL-LCGB sich nicht spalten lasse und sich keineswegs still verhalte, wenn die Regierung es drauf anlege, die bestehenden Arbeits- und Lohnbedingungen zu verschlechtern, im Handel eine Ultraflexibilisierung der Arbeitszeiten von 50.000 Beschäftigten zu erzwingen, und versuche, das “Luxemburger Modell”, das sich bewährt habe und darauf beruhe, dass die Gewerkschaften als gleichwertige “Sozialpartner” Lösungen und Kompromisse aushandeln können, zu zerstören. An einem “Alibi-Dialog” sei man aber nicht interessiert.
Heftig griff Nora Back den Versuch der Regierung an, das Kollektivvertragsrecht zu verschlechtern und erinnerte daran, dass die Gewerkschaftsfront von OGBL und LCGB sich für bessere und flächendeckend für sektorielle Kollektivverträge einsetzt. Für sie führt gleichsam kein Weg an einer Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes, einer Stärkung des öffentlichen Rentensystems, einer gerechten Steuerpolitik und an Maßnahmen gegen die Wohnungskrise vorbei.
Abschließend warnte die Gewerkschaftspräsidentin den Premierminister der CSV/DP-Regierung, den Protest vom 28. Juni zu ignorieren. Er sei “ein letzter Warnschuß”.
In die gleiche Kerbe wie seine Vorrednerin schlug anschließend LCGB-Präsident Patrick Dury. Unter dem Deckmantel der “Modernität” betreibe die Regierung, die eine reaktionäre Denkweise habe, eine neoliberale, antisoziale und gewerkschaftsfeindliche Politik zu Lasten der Schaffenden und Rentner.
Unter einem “respektvollen Dialog” verstehe sie offenbar, dass die Gewerkschaften antanzen, im Eiltempo ihre Lektion herunterrattern und dann wieder verschwinden, und das alles, damit sich die Regierung nach außen hin ein Alibi verschaffen könne, um anschließend zusammen mit “ihren Kumpanen des Patronats” eine antisoziale Politik zu betreiben, indem sie die Schaffenden spalten.
Das sei für die Gewerkschaften inakzeptabel, weshalb sie die Interessen der Lohnabhängigen und Rentner mit allen Mitteln verteidigen und keine Verschlechterungen zulassen werden. “Wir lassen uns nicht mehr auseinanderdividieren”, versprach Patrick Dury und stellte weitere Aktionen in Aussicht, sollte die Regierung auf den angekündigten Verschlechterungen beharren.
Der LCGB-Präsident brach eine Lanze für die für Sozialpartnerschaft und Tripartite und meinte in seiner Rückschau sogar, die Thorn, Santer, Juncker und Bettel seien »richtige Staatsminister« und die Stahlherren Faber, Kinsch und Wurth “richtige CEOs” gewesen. Im Eifer des Gefechts schien er vergessen zu haben, dass die “richtigen Staatsminister” für manche soziale und arbeitsrechtliche Verschlechterungen verantwortlich waren und die “richtigen CEOs” die Demontage der Stahlindustrie und Tausende von Arbeitsplätzen auf dem Gewissen hatten, deren Abbau sie sich von den “richtigen Staatsministern” subventionieren ließen.
Zum Abschluss der Veranstaltung überbrachte die Vertreterin des Europäischen Gewerkschaftsbundes die Solidarität der Dachorganisation der Gewerkschaften in der EU und ermunterte die Gewerkschaften, ihren Protest fortzusetzen, sollte die Regierung, wie das auch in anderen EU-Ländern versucht wird, ihre neoliberale, salariatsfeindliche Politik auf dem Rücken der Schaffenden und Rentner weiterführen wollen.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek