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Der Friedenspräsident, der den Krieg brachte

„In den nächsten fünf Jahren werde ich alles tun, damit die Ukrainer nicht weinen“, versprach Wolodymyr Selenskyj zu seinem Amtsantritt vor fünf Jahren. Am Ende seiner Amtszeit wird geweint ohne Ende.

Kiew. Vor fünf Jahren wurde der Schauspieler und Komödiant Wolodymyr Selenskyj zum Präsidenten der Ukraine gewählt. „In den nächsten fünf Jahren werde ich alles tun, damit die Ukrainer nicht weinen“, versprach er seinen Landsleuten in einer Ansprache anlässlich seines Amtsantritts am 20. Mai 2019. Ein ukrainischer Journalist schreibt, diese Rede sehe nun aus wie ein Video, das von einem neuronalen Netz aus einer parallelen Realität erstellt wurde.

Zu allem bereit, um Frieden zu bringen?

Damals betonte Selenskyj, es gebe keine „richtigen“ und „falschen“ Ukrainer. Symbolisch sprach er auch ein paar Sätze auf russisch (seiner Muttersprache übrigens). Er versprach, den seit 2014 tobenden Bürgerkrieg im Donbass zu beenden: „Unsere Hauptaufgabe ist ein Waffenstillstand im Donbass. Ich bin oft gefragt worden: Was sind Sie bereit für einen Waffenstillstand zu tun? Seltsame Frage. Und was sind Sie bereit, für das Leben der Menschen zu tun, die Ihnen nahe stehen? Ich kann Ihnen versichern, dass ich zu allem bereit bin, damit unsere Helden nicht wieder sterben. Und ich habe definitiv keine Angst, schwierige Entscheidungen zu treffen, ich bin bereit, meine Popularität und meine Einschaltquoten zu verlieren, und wenn nötig, bin ich bereit, meine Position ohne zu zögern zu verlieren, nur um Frieden zu bringen. Ohne unsere Gebiete zu verlieren“.

Fünf Jahre später liegt das Land in Trümmern und ist im Krieg mit Russland. Der russische Einmarsch im Februar 2022 folgte auf eine lange Zeit der Hoffnung auf dauerhaften Frieden im Donbass durch das Minsker Abkommen, das aber nach Aussagen der damaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel nur dazu diente, der Ukraine Zeit zur Aufrüstung zu verschaffen. Ähnliche Aussagen gibt es auch vom ehemaligen Berater des russischen Präsidenten Wladislaw Surkow. Ein in Grundzügen schon ausverhandeltes Friedensabkommen im März 2022 ließ der Westen platzen. England und die USA ordneten an, zu kämpfen, statt zu verhandeln.

Die Dinge sind seither für Kiew nicht besser geworden. An der mehr als 1.000 Kilometer langen Frontlinie befindet sich Russland stetig im Vormarsch und die Ukraine verliert täglich mehr Territorium. Eine weitere von Selenskyj abgehaltene „Friedenskonferenz“ soll im Juni in der Schweiz stattfinden. Er hatte sich erhofft, dabei die Länder des „globalen Südens“ für seine „Friedensformel“ begeistern zu können, die als Vorraussetzung für Verhandlungen Russlands Abzug sowohl aus dem Donbass als auch von der Krim verlangt. Eine Position, die unrealistischer nicht sein könnte, und darauf hinausläuft, dass Russland vor der Ukraine kapitulieren müsste, obwohl es militärisch in die genaue Gegenrichtung läuft. Dementsprechend zieren sich große Länder wie Brasilien, Südafrika oder China, an der Konferenz teilzunehmen.

Amtszeit ist abgelaufen

Ein weiteres Problem Selenskyjs besteht im Ablauf seiner regulären Amtszeit am 20. Mai 2024. In diesem Zusammenhang begann vor einigen Monaten (als klar wurde, dass die Präsidentschaftswahlen nicht rechtzeitig stattfinden würden) eine heftig geführte Diskussion darüber, ob der Präsident nach Ablauf seiner fünfjährigen verfassungsmäßigen Amtszeit noch zur Ausübung seines Amtes legitimiert ist. Der ukrainische Präsident beruft sich auf den Artikel der Verfassung, dass die Befugnisse des derzeitigen Präsidenten an dem Tag enden, an dem der neue Präsident sein Amt antritt.

Das ukrainische Verfassungsgericht könnte der Unsicherheit ein Ende setzen, aber die Behörden wandten sich nicht mit der Frage der Legitimität des Präsidenten an ihn. Wie die Medien schrieben, aus Angst, dass das ukrainische Verfassungsgericht kein Urteil zugunsten von Selenskyj fällen würde.

Die Position des Selenskyj-Regimes ist, dass die Legitimität des Präsidenten nicht in Frage gestellt wird. Und wer anders denkt, arbeitet für Moskau. Die EU und die USA beeilten sich, zu betonen, dass sie Selenskyj auch weiterhin als Präsidenten der Ukraine anerkennen, um nur ja keine Zweifel aufkommen zu lassen.

Das Hauptproblem des Präsidenten ist jetzt jedoch nicht, über seine „Illegitimität“ zu sprechen. Das Hauptproblem ist die Situation an der Front und im Landesinneren, die sich zuletzt merklich verschlechtert hat. Und wenn es Selenskyj nicht gelingt, diesen Trend umzukehren, dann könnten all seine zahlreichen Gegner innerhalb und außerhalb der Ukraine versuchen, die schwierige Situation zu nutzen, um ihn loszuwerden. Und dann könnte die Frage des 20. Mai zu einem der formalen Gründe dafür werden.

Zunehmend unberechenbar

Mit zunehmender Verschlechterung der miliärischen Lage an der Front wird Selenskyj auch sichtlich unberechenbarer. Er fordert wieder – wie schon zu Beginn des Krieges – die Einrichtung einer westlichen Flugverbotszone zumindest über der Westukraine. Eine Idee, die sowohl aus Berlin aus auch aus Washington eine umgehende Abfuhr erhielt, weil sie die direkte Involvierung der NATO in den Krieg bedeuten würde. Weiters fordert der ukrainische Präsident von den westlichen Sponsoren, ihm die Erlaubnis zum Einsatz westlicher Waffen auf russischem Kerngebiet zu geben, worauf es – zumindest vorläufig – auch keine positive Antwort gab.

Mehrere Hunderttausend ukrainische Soldaten starben oder wurden verwundet, große Opferzahlen – geschätzte 10.000 seit Februar 2022 und 14.000 im Donbass zwischen 2014 und 2022 – gab es auch unter der Zivilbevölkerung. Das Land ist kaputt, die Infrastruktur weitgehend zerstört. Das Weinen, das ein Ende finden sollte, hört nicht auf. 

Quelle: Strana

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