In Griechenland fanden am Mittwoch, den 5. März 2025, landesweite Proteste statt, die sich gegen die Politik der Profitmaximierung richteten, die als Ursache für das verheerende Zugunglück in Tempi am 28. Februar 2023 verantwortlich gemacht wird. Unter dem Motto „Das Verbrechen wird nicht vertuscht“ versammelten sich Hunderttausende in Städten im ganzen Land, um ihre Solidarität mit den Opfern zu bekunden und für eine grundlegende Veränderung der politischen Verantwortlichkeiten zu kämpfen. Bereits am Jahrestag des Zugunglück war es zu den größten Protesten in der jüngeren griechischen Geschichte gekommen.
Athen. Die tragischen Ereignisse in Tempi, bei denen über 60 Menschen ihr Leben verloren, haben das Land erschüttert und eine Welle der Empörung ausgelöst. Laut den Protestierenden stellt das Unglück eine direkte Folge der jahrelangen Missachtung der Sicherheitsstandards zugunsten von Profiten dar. Arbeiter- und Studentenverbände sowie verschiedene Bürgergruppen riefen zu landesweiten Protesten auf, die von Nordgriechenland bis nach Kreta reichten.
Kämpferische Solidarität in ganz Griechenland
Die Proteste waren von Anfang an von einer kämpferischen Stimmung geprägt. In Städten wie Ioannina, Thessaloniki und Athen strömten Tausende in die Straßen. In Ioannina, wo bereits in den Tagen nach dem Unglück eine erste große Demonstration stattgefunden hatte, versammelten sich erneut Tausende vor der Regionalverwaltung, um gegen die fortgesetzte Politik des Profits zu protestieren. Ein bewegender Moment der Demonstration war das Gedenken an die 57 Opfer des Unglücks, als Teilnehmer in einer stillen Gedenkminute mit ihren Mobiltelefonen Lichter entzündeten.
In Städten wie Kalamata, Korinth und Patras fanden ebenfalls große Versammlungen statt, bei denen Arbeiterinnen und Arbeiter, Schülerinnen und Schüler sowie Studierende ihre Entschlossenheit zeigten, sich gegen die Ungerechtigkeit der Politik zu stellen. Besonders in der Stadt Patras, wo ein massiver Streik stattfand, sprachen Gewerkschaftsvertreter und Studentenvertreter über die Notwendigkeit, die Sicherheitsstandards im Transportwesen zu erhöhen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
„Das Verbrechen wird nicht vergessen“ – zentrale Forderung der Proteste
Das zentrale Thema der Proteste war die Forderung nach einer umfassenden Untersuchung des Unglücks und der Bestrafung der Verantwortlichen. In vielen Städten, von Thessaloniki über Heraklion auf Kreta bis hin zu Lesbos, wurde das gleiche laute und klare Signal gesendet: „Das Verbrechen wird nicht vertuscht!“ Auch in der Hauptstadt Athen zogen die Demonstranten durch die Straßen, wo sie die sofortige Aufklärung des Unglücks und die Verantwortung der Regierung und der Bahnunternehmen einforderten.
„Es geht nicht nur um die Tragödie in Tempi, sondern um die systematische Vernachlässigung der öffentlichen Sicherheit zugunsten von Profiten“, erklärte der Gewerkschaftsvertreter in Heraklion auf Kreta. Auch in Athen und Thessaloniki wurde immer wieder betont, dass die fortgesetzte Politik des neoliberalen Sparens und der Privatisierungen im öffentlichen Sektor zu immer mehr Katastrophen führen könnte.
Massive Teilnahme von Schülern und Studenten
Besonders bemerkenswert war die hohe Beteiligung von Jugendlichen und Studierenden an den Protesten. In vielen Städten gingen Schülerinnen und Schüler sowie Studentinnen und Studenten, zum Teil in eigenen organisierten Demonstrationen, auf die Straße. In Heraklion wurde die Demonstration von einer Band begleitet, die die Teilnehmer mit Musik und Slogans in Stimmung hielt. Auch in Chania und Rethymno auf Kreta zeigten Studierende und Schülerinnen und Schüler ihre Solidarität und ihren Widerstand gegen das System, das sie als Mitverantwortlichen für die Katastrophe ansehen.
Die Solidarität wächst – weitere Proteste angekündigt
Die Organisatoren kündigten an, dass die Proteste weitergehen werden, bis alle Verantwortlichen für das Zugunglück in Tempi zur Rechenschaft gezogen sind. Am Freitag, den 7. März, sind bereits neue landesweite Demonstrationen geplant, die sowohl von Schüler- und Studentenorganisationen als auch von Gewerkschaften unterstützt werden. Die Proteste werden mit weiteren Streiks und öffentlichen Veranstaltungen begleitet, um die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken.
Auch im Ausland gab es in den letzten Tagen Proteste in Erinnerung an das Unglück an Tempi. Organisiert wurden die Solidaritätskundgebungen von der griechischen Diaspora, um der griechischen Arbeiter- und Volksbewegung ihren Rückhalt zu zeigen.
Die Protestbewegung hat sich nicht nur auf die spezifischen Forderungen nach einer Entschädigung und Gerechtigkeit für die Opfer konzentriert, sondern fordert auch eine grundlegende Reform des griechischen Transportwesens und eine Abkehr von der Politik der Sparmaßnahmen und Privatisierungen, die die Ursache für das Unglück sind.
Der Staat antwortet mit Repression
Am 28. Februar 2025, während der großen Arbeiterproteste in Athen, wurde ein organisiertes Szenario von Staatsgewalt und Repression dokumentiert. Nach den Reden und dem Abzug der Hunderttausenden von Demonstranten begann ein inszenierter Konflikt zwischen den Bereitschaftspolizisten (MAT) und vermummten Gruppen, die mit Pyrotechnik, Molotowcocktails und Steinen die Konfrontation einleiteten. Diese Auseinandersetzungen dienten als Vorwand für die Polizei, die Gegend mit Tränengas und Blendgranaten zu überfluten.
Zeugenaussagen und Videos belegen, dass vermummte Gruppen in Absprache mit der Polizei agierten und den Einsatz von Gewalt vorbereiteten. Ein Video zeigt eine Person in einem schwarzen Anzug, die inmitten von Tränengas ruhig umhergeht und Geräte wie Blitzgranaten bei sich trägt, die normalerweise der Polizei vorbehalten sind. Es gibt Hinweise, dass auch Schläger aus der organisierten Kriminalität in die Eskalation involviert waren.
Während die Polizei die Situation als „Fehlinformation“ darstellt, bestätigen zahlreiche Beweisaufnahmen das organisierte Vorgehen. Darüber hinaus wurden mehr als 220 Festnahmen durchgeführt, von denen 73 zu Verhaftungen führten. Unter den Festgenommenen befanden sich auch Mitglieder der anarchistischen Gruppe „Rouvikonas“, die für eine Aktion während der Proteste verantwortlich waren.
Am Mittwoch wurde von Seiten der Polizei erneut versucht die Proteste mittels Repression einzuschüchtern und zu unterdrücken. Nach einem ähnlichen Szenario wie am 28. Februar begannen Vermummte Molotowcocktails zu werfen als die Kundgebungsteilnehmerinnen und ‑teilnehmer begannen den Syntagma-Platz. Das bot der Polizei den gewünschten Vorwand erneut mit Tränengas und Blendgranaten anzugreifen.
Zwei Menschen wurden dabei verletzt und der Nationale Notdienst musste Erste Hilfe leisten. Die Polizei schoss unterdessen weiter mit Tränengas und deckte auch die Helfer mit Chemikalien ein.