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Italien: Fast 255.000 gemeldete Arbeitsunfälle in vier Monaten

Die vom INAIL veröffentlichten Zahlen zeigen das wahre Gesicht des Kapitalismus. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres starben 261 Menschen am Arbeitsplatz.

Rom. Das gesamtstaatliche Versicherungsinstitut für Arbeitsunfälle (Istituto nazionale per l’assicurazione contro gli infortuni sul lavoro – INAIL) hat nun Daten bezüglich der Arbeitsunfälle in Italien von Jänner bis April 2022 veröffentlicht. Die Zahlen des INAIL eröffnen einen düsteren Einblick in die Arbeitsverhältnisse italienischer Arbeiterinnen und Arbeiter. 

Einige Fakten im Überblick:

  • Allein für die Industrieregion Lombardei zählt INAIL in den ersten vier Monaten des Jahres 47 Todesopfer auf. Das wäre umgerechnet ein Arbeitsunfall alle 72 Stunden. Gerade die Lombardei zählte 49.531 gemeldeter Arbeitsunfälle, was einem Anstieg von 32,6 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres gleichkommt.
  • Insgesamt verzeichnet INAIL einen Anstieg der Arbeitsunfälle um ganze 54 Prozent gegenüber dem Jahr 2021.
  • In ganz Italien gab es in den ersten beiden Monaten des Jahres 2022 114 tödliche Opfer von Arbeitsunfällen, 10 Prozent mehr als im Vorjahr. Insgesamt sind laut offiziellen gemeldeten Daten in den ersten vier Monaten des Jahres 2022 nicht weniger als 261 Menschen am Arbeitsplatz verstorben.
  • Auf nationaler Ebene gab es zwischen Januar und Februar 121.994 gemeldete Arbeitsunfälle, was einem Anstieg von 50 % gegenüber den beiden Monaten des Jahres 2021 entspricht. Zwischen Jänner und April zählt das Institut sage und schreibe 254.493 gemeldete Arbeitsunfälle.
  • Die Zahl der gemeldeten Berufskrankheiten nahm zu und beläuft sich auf 19.287, was einen Anstieg von 3,5 Prozent ausmacht. Osteomuskuläre Krankheiten und Erkrankungen des Bindegewebes, des Nervensystems und des Ohrs sind die drei am häufigsten gemeldeten Berufskrankheiten, gefolgt von Krebserkrankungen und Krankheiten des Atmungssystems.

Das Institut gibt aber zu bedenken, dass über einen kurzen Zeitraum durchgeführte Vergleiche sich im Nachhinein als unzuverlässig erweisen könnten:

„Für eine aussagekräftigere Analyse der Unfallentwicklung muss nämlich ein längerer Zeitraum abgewartet werden, auch um etwaige Verzögerungen bei der Meldung von Unfällen zu berücksichtigen, insbesondere von Unfällen mit Todesfolge und Covid-19-Infektionen.“

Natürlich kann INAIL nur gemeldete Arbeitsunfälle zahlenmäßig darstellen. Wie es sich mit der Dunkelziffer verhält, ist naturgemäß ungewiss.

Steigerung in allen Sektoren

Die am 30. April erfassten Daten zeigen auf ganz Italien bezogen, einen Anstieg gegenüber dem gleichen Zeitraum des Jahres 2021, sowohl bei der Zahl der Arbeitsunfälle am Arbeitsplatz selbst, die von 152.859 im Jahr 2021 auf 230.357 im Jahr 2022 (+50,7 Prozent) angestiegen sind als auch bei der Zahl der Arbeitsunfälle auf dem Hin- und Rückweg zwischen Wohnstätte und Arbeitsplatz, die um 27 Prozent, von 19.011 auf 24.136, gestiegen sind.

Auf die Sektoren hin aufgeteilt, stieg die Zahl der gemeldeten Arbeitsunfälle in der Industrie und im Dienstleistungssektor um 44,3 Prozent (von 145.569 Fällen im Jahr 2021 auf 210.039 im Jahr 2022), während die Arbeitsunfälle in der Landwirtschaft um 3,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken sind: Von 8.218 auf immerhin 7.946 im Jahr 2022. Die Beamtenschaft weist eine Steigerung der Arbeitsunfälle um 101,9 Prozent (von 18.083 im Vorjahr auf 36.508) auf. Auch in den Bereichen Transport und Logistik (+160,5 Prozent), Gesundheits- und Sozialwesen (+127,8 Prozent) sowie Hotellerie und Gastronomie (+102,2 Prozent) sind drastische Steigerungen zu beobachten. Auf die Geschlechter aufgeteilt, ergibt sich für die Arbeiterinnen eine Steigerung von 72,1 Prozent, nämlich von 67.155 im Vorjahr auf 115.567 gemeldete Arbeitsunfälle im Jahr 2022, während sich die Steigerung der Arbeitsunfälle bei den männlichen Kollegen auf 32,7 Prozent beläuft (von 104.715 auf 138.926 gemeldete Fälle in den ersten vier Monaten des Jahres 2022).

Die vom INAIL veröffentlichten Zahlen zeigen klar, in welche Richtung sich der Kapitalismus bewegt, und das nicht erst seit 2022. Anstatt lebenswerte und menschenmöglich umsetzbare Arbeitszeiten durchzusetzen, die Arbeitszeit unter den Menschen aufzuteilen, werden Arbeitskräfte bis zum Zermürben geschunden. Eine Vielzahl steht morgens auf, macht sich auf den Weg zur Arbeit, um am Abend nicht mehr zurückzukehren. Das macht für das kapitalistische System keinen großen Unterschied, denn Arbeitskräfte sind quasi sofort ersetzbar. Die Leidtragenden sind die Arbeiterinnen und Arbeiter selbst und ihre Familien, die allein mit ihrem Schmerz bleiben.
Mit der Implementierung des dualen Schulsystems hat man außerdem dem Kapital die Möglichkeit gegeben, systematisch kostenlose oder fast kostenlose Arbeitskraft auszupressen und andererseits Schülerinnen und Schüler, die nichts anderes tun sollten, als zu lernen und sich auf ihren Abschluss vorzubereiten, in diesen unsicheren, von Unfällen überwuchernden Arbeitskontext zu zwängen. Die Unternehmerinnen und Unternehmer sind es in erster Linie, die aus dem Konkurrenzkampf und allgemeiner Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal einzelner Arbeitskräfte heraus auf die Investition in den Bereich Arbeitssicherheit verzichten, aber es ist der Kapitalismus in letzter Instanz, der diese Zustände nicht nur ermöglicht, sondern auch erschafft.

Quellen:NAIL / SICobas

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