Die Spannungen zwischen Indien und Pakistan eskalieren nach einem tödlichen Anschlag in Kaschmir erneut. Drohende Militärschläge, nukleare Risiken, mögliche Einmischung Chinas sowie ein Streit um Wasserressourcen verschärfen die Lage. Gleichzeitig geraten Menschenrechtsverletzungen und Angriffe militanter Gruppen in den Fokus der internationalen Gemeinschaft.
Kaschmir bleibt ein nuklearer Brennpunkt zwischen den Indien und Pakistan. Beide Länder verfügen über Atomwaffen, was die Gefahr birgt, dass selbst ein konventionelles Gefecht in einen nuklearen Schlagabtausch münden könnte. Nach den Kriegen von 1965 und 1971 führte Indien 1974 seine ersten Atomtests durch, was ein nukleares Wettrüsten auslöste, das Pakistan 1998 mit eigenen Tests einholte. 1999 kam es zu einem weiteren größeren Grenzgefecht, bei dem mindestens 1.000 Soldaten starben.
Indien verordnet Ausweisung aller pakistanischen Staatsangehörigen
Beide Länder haben ihre Feindseligkeiten über die heftig umkämpfte Kaschmir-Region verschärft, nachdem 26 meist indische Touristinnen und Touristen bei einem Massaker getötet wurden, das Neu-Delhi mit Pakistan in Verbindung bringt. Pakistan bestreitet, hinter dem Angriff am Dienstag auf eine Touristengruppe in Kaschmir zu stecken. Seither haben beide Seiten die Spannungen eskaliert, indem sie diplomatische und wirtschaftliche Sanktionen gegeneinander verhängten und die Angst vor einem militärischen Konflikt schürten. Indien ordnete die Ausweisung aller pakistanischen Staatsangehörigen bis Dienstag an, während Pakistan indische Diplomaten des Landes verwies und eine Aussetzung des Handels ankündigte.
Die Vereinten Nationen riefen Indien und Pakistan zu Zurückhaltung auf. UNO-Sprecher Stephane Dujarric sagte am Donnerstag in New York: „Wir appellieren an beide Regierungen, größtmögliche Zurückhaltung zu üben und sicherzustellen, dass sich die Situation und die Entwicklungen, die wir gesehen haben, nicht weiter verschlechtern.“ Alle Probleme zwischen Pakistan und Indien sollten „friedlich“ gelöst werden, so Dujarric weiter.
Andeutungen eines begrenzten Militärschlags gegen Pakistan
Unter erheblichem innenpolitischem Druck hat Indien angedeutet, als Reaktion auf den als „Terroranschlag“ mit „grenzüberschreitenden Verbindungen“ bezeichneten Vorfall einen begrenzten Militärschlag gegen Pakistan durchführen zu können. Pakistan machte deutlich, dass es auf jeden Angriff militärisch reagieren werde. Damit wächst die Furcht, dass selbst eine kleinere Eskalation zu einem umfassenden Krieg führen könnte. Das letzte Mal, dass beide Länder in offene Kämpfe verwickelt waren, war 2019, als ein Selbstmordanschlag 40 indische Soldaten in Kaschmir tötete. 2021 hatten Indien und Pakistan zwar ein Waffenstillstandsabkommen entlang ihrer Grenze erneuert, doch diese relative Ruhe wurde am Donnerstag durch einen kurzen Schusswechsel zwischen ihren Armeen unterbrochen.
Ein neuer Konflikt zwischen Indien und Pakistan könnte zudem China hineinziehen. Indien und China sind geopolitische Rivalen, deren Armeen 2020 an der umstrittenen Himalaya-Grenze aneinandergerieten. Zwar haben sich die Beziehungen seitdem etwas entspannt, doch beide Länder halten weiterhin große Truppenkontingente entlang ihrer Grenzen, die auch an Pakistan grenzen – ein weltweit einzigartiges nukleares Dreieck. China kontrolliert außerdem einen Teil Kaschmirs, den Indien für sich beansprucht, und unterstützt Pakistan militärisch, insbesondere bei der Entwicklung seiner Raketentechnologie. Indien hingegen pflegt enge Verteidigungsbeziehungen zu den USA, die bemüht sind, Chinas Aufstieg im indopazifischen Raum einzudämmen. Expertinnen und Experten warnen daher, dass ein neuer Konflikt kaum auf Indien und Pakistan beschränkt bleiben würde.
Möglicher Casus belli: Der Induswasservertrag von 1960
Zudem droht ein Krieg um Wasser. Indien hat als Reaktion auf das Massaker ein wichtiges Abkommen ausgesetzt, das seit dem Induswasservertrag von 1960 den Zugang Pakistans zu sechs Flüssen regelt. Pakistan erklärte, es würde jede Einschränkung des Wasserflusses als „Kriegserklärung“ betrachten. Da Pakistan ohnehin unter akuter Wasserknappheit leidet, könnten Beschränkungen des Wasserflusses verheerende Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben.
Schließlich belasten auch Menschenrechtsverletzungen und Angriffe militanter Gruppen die Lage. Menschenrechtsorganisationen und die Vereinten Nationen werfen Indien schwere Verstöße in Kaschmir vor, darunter willkürliche Verhaftungen und Tötungen von Zivilisten im Rahmen harter Sicherheitsmaßnahmen. Dies hat Indiens internationales Ansehen beschädigt und Zweifel daran geweckt, ob die Weltgemeinschaft ausreichend Druck auf Neu-Delhi ausübt. Gleichzeitig haben militante Gruppen, die gegen die indische Herrschaft kämpfen, zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten, darunter auch hinduistische Pilger, getötet. Indien setzt militärische Mittel ein, um solche Gruppen zu bekämpfen, und sieht darin eine notwendige Maßnahme zur Wahrung der regionalen Stabilität.
Quellen: AssociatedPress / ORF