HomeInternationalesMelonis Kehrtwende: Von Kiew nach Washington?

Melonis Kehrtwende: Von Kiew nach Washington?

Meloni steckt in einem Dilemma zwischen der Unterstützung für Selenskyj und der Annäherung an Trump, weshalb sie vorerst schweigt, um keine diplomatischen Brücken zu zerstören. Doch die schrittweise Distanzierung Italiens von Kiew ist bereits im Gange, und früher oder später wird sie ihre Haltung offiziell anpassen müssen.

Rom. Dass die USA mit Trump sich nun alsbald einer schon lange nicht mehr haltbaren heißen Kartoffel entledigen werden, ist bekannt. Nun muss sich auch die italienische Premierministerin Giorgia Meloni darauf einstellen. Ihr Schweigen, das sie als einzige unter den führenden europäischen Regierungschefs wahrt, zeigt, wie peinlich und schwierig die Situation ist. Bei einem Treffen im Palazzo Chigi haben die Premierministerin und ihre beiden Stellvertreter vorgestern das Thema erörtert, jedoch ohne über Wortspiele hinauszukommen. Außenminister Tajani, der sich ebenfalls länger bedeckt hielt, meldete sich anschließend zurück:

„Wir unterstützen die Ukraine und die legitime Regierung von Selenskyj. Solange er Präsident ist, werden unsere Gespräche mit ihm stattfinden. Am Verhandlungstisch, wenn es soweit ist, müssen die Ukrainer und Europäer ebenso vertreten sein wie natürlich die USA.“

Ein Abnabelungsprozess

Man kann nicht behaupten, dass er scharfe Töne anschlug, aber allein die Bekräftigung von Selenskyjs Rolle ist mehr, als die Premierministerin zu sagen wagt. Dass Meloni sich am Ende der aktuellen Entwicklung deutlich näher an Washington als an Kiew wiederfinden wird, steht außer Zweifel – und in Wahrheit läuft der Prozess der Distanzierung von Selenskyj bereits seit Langem. Hinter verschlossenen Türen ließ man im Palazzo Chigi schon seit Monaten durchblicken, dass eine realistische Verhandlungslösung gefunden werden müsse und dass Selenskyj zunehmend zum Problem werde. Doch eine Sache sind vertrauliche Eingeständnisse, etwas ganz anderes offizielle Stellungnahmen. Das hätte sich noch steuern lassen, wenn Trump, wie es jeder andere an seiner Stelle getan hätte, darauf bedacht gewesen wäre, die Fassade zu wahren.

Doch der US-Präsident hat alle – und Meloni vielleicht am meisten – überrascht, indem er jede diplomatische Höflichkeit beiseiteließ und sich gegen ebenjenen ukrainischen Präsidenten stellte, den die EU, ebenso wie die USA bis gestern, monatelang als Helden gefeiert hat. Meloni kann Selenskyj nicht einfach so fallenlassen. Ihr mühsam über zweieinhalb Jahre aufgebautes Verhältnis zu den europäischen Spitzenvertretern, bei dem gerade die Unterstützung für Kiew als Hebel diente, würde wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Und hatte nicht der Historiker und Altphilologe Luciano Canfora öffentlich eine offensichtliche ideologische Parallele hergestellt?

„Und da sie ja ein Neonazi im Geiste ist, hat sie sich sofort auf die Seite der ukrainischen Neonazis gestellt […],“ so Canfora bei einem Auftritt im Jahr 2022 während eines Treffens mit Schülerinnen und Schülern des Fermi-Gymnasiums in Bari über den Russland-Ukraine-Konflikt.

Es ist noch Platz zum Lavieren

Derzeit bleibt ihr nur der Weg des Schweigens, um weder Europa zu verärgern noch mit Trump in Konflikt zu geraten. Doch früher oder später wird sie sprechen müssen. Dann wird sie zwar ihre Unterstützung für die Ukraine und ihren Präsidenten bekräftigen, gleichzeitig aber Trumps Vorgehen als Friedensinitiative darstellen, die es zu würdigen und zu unterstützen gilt. Während Meloni und Tajani äußerste Vorsicht walten lassen – Tajani auch, weil Trumps Positionen denen des verstorbenen Berlusconi ähneln, dessen Worte in der Partei noch immer heilig sind –, kennt Salvini keine Zurückhaltung.

Er hält unbeirrt an seinem Vorschlag fest, Trump den Friedensnobelpreis zu verleihen, und feuert ihn an wie ein Fußballfan: „Die Angriffe auf Trump sind kein guter Dienst für den Frieden. Ich hoffe, er zieht es durch.“

Seine wohlbedachte Aussage: „Ob ich Trumps Urteil über Selenskyj teile? Ich unterstütze alles, was dazu beiträgt, den Krieg zu beenden.“ Doch man sollte sich nicht täuschen. Eine persönliche Attacke auf den ukrainischen Präsidenten ist eine rote Linie, die die italienische Regierung nicht überschreiten will. Doch die Zurückhaltung endet genau dort. Am ehrlichsten beschreibt die Situation der Forza-Italia-Sprecher Nevi: „Italien hat die Ukraine stets entschlossen unterstützt, aber heute ist es notwendig, größere Vorsicht walten zu lassen. Wir müssen ein Gleichgewicht zwischen Prinzipien und Pragmatismus finden.“ Das könnte man dann doch auch als eine Ankündigung eines Abschieds von Kiew interpretieren.

Quellen: l‘Unità / RaiNews

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