Der jahrzehntealte Grenzstreit um historische Tempelanlagen ist erneut eskaliert. Beide Seiten machen sich gegenseitig für den Angriff verantwortlich, die Grenze wurde geschlossen, Zehntausende Zivilistinnen und Zivilisten mussten fliehen.
Bangkok/Phnom Penh. Am Donnerstagmorgen kam es in der Nähe eines antiken Tempels – in Thailand als Ta Muen Thom und in Kambodscha als Tamone Thom bekannt – zu Toten und Verletzten, mehr als ein Dutzend, als Soldaten der beiden nationalen Armeen begannen, aufeinander zu schießen. Die Opfer seien laut der thailändischen Regierung Zivilistinnen und Zivilisten: Die meisten Todesopfer habe es bei einem Angriff auf einen Minimarkt innerhalb einer Tankstelle in Ban Phue in der Provinz Sisaket gegeben, etwa 20 Kilometer von der Grenze entfernt. Dort wurden sechs Menschen getötet und 14 verletzt.
Lang schwelende Grenzstreitigkeiten
Im Zentrum der Kämpfe stehen Grenzgebiete zwischen den beiden Ländern, die seit Jahrzehnten umstritten sind. Die Spannungen hatten sich in den vergangenen Monaten zugespitzt – beide Länder sind von starkem Nationalismus geprägt und kulturell sowie historisch tief gespalten: Der „moderne“ Konflikt geht faktisch auf das Jahr 1953 zurück, als Frankreich – damals Kolonialmacht in Kambodscha – die Grenze zwischen den beiden Staaten zog, eine Karte, die aus thailändischer Sicht nicht bindend ist.
Kambodscha und Thailand trennen über 800 Kilometer gemeinsame Grenze, die durch zahlreiche umstrittene Gebiete verlaufen – vor allem wegen Tempeln, auf die beide Länder Souveränitätsansprüche erheben.
Grenzen werden dichtgemacht
Im Zusammenhang mit den heutigen Gefechten beschuldigen sich beide Seiten gegenseitig, zuerst geschossen zu haben: Thailand wirft der Regierung in Phnom Penh vor, mindestens drei Raketen auf thailändisches Gebiet abgefeuert zu haben, während die kambodschanischen Behörden Bangkok vorhalten, mit Kampfjets kambodschanisches Territorium bombardiert zu haben.
Nach den Gefechten forderte die thailändische Botschaft in Kambodscha alle thailändischen Staatsbürgerinnen und ‑bürger auf, das Land zu verlassen. Zudem wurden sämtliche Grenzübergänge zwischen den beiden Staaten geschlossen. Etwa 40.000 Zivilistinnen und Zivilisten aus 86 Dörfern in Thailand seien in sicherere Gebiete evakuiert worden, erklärte Sutthirot Charoenthanasak, der Leiter des Bezirks Kabcheing in der Provinz Surin.
Quelle: l‘Unità