HomeKlassenkampfArbeitszeit: Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander, Politik bleibt untätig

Arbeitszeit: Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander, Politik bleibt untätig

Immer mehr Beschäftigte in Österreich wollen weniger Stunden arbeiten, um Beruf und Privatleben besser vereinbaren zu können – und zwar nicht nur die Jungen, sondern alle Altersgruppen. Diesem Wunsch wird seitens der Politik nicht nachgekommen, stattdessen sollen Reformen und Erlässe Beschäftigte in Arbeit bringen, fast schon egal unter welchen Bedingungen.

Linz/Wien. Die Zufriedenheit der Beschäftigten in Österreich mit ihrer Arbeitszeitregelung und der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist seit 2008 und insbesondere im Gefolge der Corona-Pandemie stark gesunken. Seit 2020 ist der Anteil jener Beschäftigten, die weniger Stunden arbeiten möchten, deutlich gestiegen. 

Vollzeit Beschäftigte wollen weniger, Teilzeitkräfte mehr Stunden arbeiten

Aktuell wollen 28 Prozent aller abhängig Beschäftigten in Österreich weniger Arbeitsstunden leisten als in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart. Unter den Vollzeitkräften sind es sogar 32 Prozent. Gleichzeitig möchte fast ein Drittel der Teilzeitbeschäftigten die wöchentliche Arbeitszeit erhöhen. Diese Ergebnisse bringt der aktuelle Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer Oberösterreich hervor.

Männer wollen ihre Arbeitszeit im Schnitt um 3,2 Wochenstunden reduzieren, Frauen um 2,3 Stunden. Vollzeitkräfte möchten um 3,7 Stunden pro Woche kürzer arbeiten, als sie es in der Realität tun. Teilzeitkräfte hingegen wollen ihre tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit um 0,5 Stunden im geringen Ausmaß aufstocken.

Handel setzt vielfach auf unfreiwillige Teilzeit

In verschiedenen feminisierten Bereichen, wie beispielsweise dem Handel, wird eine Erhöhung der Arbeitszeit seitens der Konzerne und Betriebe abgelehnt. Stattdessen wird hochflexibel auf Überstunden zurückgegriffen, wodurch man nach Bedarf länger bleiben oder früher gehen muss

Wunsch nach weniger Arbeitszeit über alle Altersgruppen

Der Wunsch nach weniger Arbeitszeit, selbst bei gleichbleibendem Stundenentgelt, ist in allen Generationen ähnlich stark ausgeprägt. Das stärkste Bedürfnis, die Arbeitszeit zu reduzieren, haben die zwischen 1980 und 1994 geborenen Millenials: Sie wollen um 3,3 Stunden pro Woche weniger arbeiten, als sie es derzeit tun. Die noch jüngeren Beschäftigten im Alter zwischen 15 und 28 Jahren wollen um 2,8 Wochenstunden weniger arbeiten, die Älteren – Baby Boomer genannt – um 2,5 Stunden.

Viele Überstunden

In der Praxis müssen aber drei Viertel aller Beschäftigten in Österreich Überstunden leisten – davon 22 Prozent häufig und 52 Prozent gelegentlich. Am häufigsten leisten Beschäftigte in der Baubranche, Männer sowie jüngere Beschäftigte Überstunden. 

Aber auch im Verkehr und Nachrichtenwesen, in der öffentlichen Verwaltung und Sozialversicherung sowie im Tourismus stehen (häufige) Überstunden bzw. Mehrarbeitsstunden sowie überlange Arbeitszeiten und häufige lange Arbeitstage mit zehn oder mehr Stunden auf der Tagesordnung. Darunter leidet die psychische und körperliche Gesundheit, die Doppelbelastung insbesondere bei Frauen nimmt zu. 

Tourismus und Gastronomie besonders unattraktiv

Im Tourismus und in der Gastronomie sagen vier von zehn Beschäftigten, dass sich Beruf und Privatleben nicht besonders gut oder sogar nur schlecht vereinbaren lassen. Das hat einen gravierenden negativen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit: Wer Beruf und Privatleben sehr gut unter einen Hut bringt, hat im Durchschnitt einen Arbeitsklima-Indexwert von 117 Punkten. Jene, die Arbeit und Freizeit ganz schlecht vereinbaren können, weisen nur 58 Punkte auf.

Die nun von Kocher angedachten Schritt für Schritt (Konter-)Reformen im Bereich des Arbeitsmarktes tragen diesem keine Rechnung. Bekanntlich hat der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft ein Faible für Vollzeitarbeit. Er will eigentlich sogar ganz gerne Familien- und Sozialleistungen an diese knüpfen, wie er noch Anfang des Jahres verkündete.

Die Beschäftigten für den Bereich Gastronomie und Tourismus, die v.a. im Westen des Landes gebraucht werden, will er nicht dadurch gewinnen, dass Arbeitszeiten reduziert und Beschäftigungsbedingungen wirklich verbessert werden – wenngleich das auch immer mal wieder in Interviews behauptet will -, in Wirklichkeit sollen die Beschäftigten durch negative Reformen des Arbeitslosengeldes dazu gebracht werden, möglichst miese Arbeitsbedingungen in Kauf zu nehmen. Und wer braucht schon ein Privatleben?

AMS-Chef will Wiener nach Tirol schicken

AMS-Chef Johannes Kopf erklärt im Gespräch mit „heute“, wie das Zukunftsmodell Arbeit im Bereich Tourismus und Gastronomie ganz ohne Verbesserung der Bedingungen aussehen wird. Arbeitssuchende können mittlerweile gemäß der geltenden Zumutbarkeitsregelungen in andere Bundesländer zum Vorstellungsgespräch geschickt werden. 

Kopf betont, dass dies nur für Personen gilt, die keine Betreuungspflichten haben. „Das heißt keine Kinder oder Angehörige, die sie pflegen müssen.“ Weiters ist laut Kopf wichtig, dass ein Wohnraum zur Verfügung gestellt wird. „Das gibt es praktisch nur im Tourismus. Da ist dann auch für einen Wiener Arbeitssuchenden ein Job in Tirol, oder Salzburg zumutbar“, erklärt der AMS-Chef im „heute“-Gespräch.

Ohne Unterkunft muss der Weg für den Arbeitssuchenden zumutbar sein. „Hier gilt die Regel: eine Stunde hin, eine Stunde zurück. Das ist zumutbar“, so Kopf. Hierdurch wird der Arbeitstag dann noch einmal länger und bedeutet vielfach keine Zeit mehr für Familie oder Hobbys. 

Der Mensch gilt gemäß der Grundregeln der Kapitalismus somit nur als Arbeitskraft, die im Dienste des Kapitals ausgebeutet wird, um Profite zu schaffen.

Quelle: APA-OTS/Zeitung der Arbeit/Heute

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