HomeKlassenkampfFrauenBelästigt, begrapscht, missbraucht: Fußballspielerinnen der NWSL packen aus

Belästigt, begrapscht, missbraucht: Fußballspielerinnen der NWSL packen aus

Eine 300-seitige Untersuchung gibt Aufschluss über die widerlichen Zustände von ihren Trainern ausgelieferten Fußballerinnen in den USA.

In den letzten Tagen wurde eine vom US-Fußballverband in Auftrag gegebene Untersuchung veröffentlicht. Sie enthält die Arbeit eines ganzen Jahres an Forschung, die von der Generalstaatsanwältin Sally Q. Yates durchgeführt wurde. Auf rund 300 Seiten wird darin das extrem grausige Verhalten von mindestens drei Trainern von Frauenfußballmannschaften abgebildet. Der US-amerikanische Frauenfußball erlebt damit einen der dunkelsten Momente in seiner jungen Geschichte. Die drei darin vorkommenden Trainer werden beschuldigt, die Fußballerinnen belästigt, begrapscht und sexuell genötigt zu haben. Bis Ende letzten Jahres haben sich nicht weniger als fünf der zwölf Teams der Liga aufgrund von Beschwerden von Spielerinnen von ihren Trainern getrennt.

Die Opfer wurden u.a. gezwungen, sich sexuell zu outen, Bemerkungen über ihren Körper hinzunehmen sowie grobe Annäherungsversuche und psychische Gewalt über sich ergehen zu lassen. Die Übergriffe gingen jahrelang so weiter, während die Führungsspitzen der Vereine sehr wohl wussten, was vor sich ging. Sie beschlossen aber, nicht einzugreifen und die mutmaßlichen Täter zu decken.

Aufdeckung der skandalösen Zustände

Alles begann mit einem Artikel, der im September 2021 von The Athletic veröffentlicht wurde. Die Überschrift des Artikels lautete: „Dieser Typ hat ein Muster: Inmitten institutionellen Versagens beschuldigen ehemalige NWSL-Spielerinnen einen prominenten Trainer der sexuellen Nötigung“. Paul Riley, einer der erfolgreichsten Trainer in der Geschichte der National Women’s Soccer League (NWSL), fungierte dabei als Protagonist. Nach der Veröffentlichung des Artikels weiteten sich die Ermittlungen aus. Es wurde bald klar, dass es sich dabei nicht um Einzelfälle handelte, sondern die Frauenfußballliga vielmehr zu einem Verband geworden war, bei dem verbaler und psychologischer Missbrauch und sexuelles Fehlverhalten systemisch geworden waren. Mehrere Teams und Trainer waren und sind darin involviert.

Die Aussagen von mehr als zweihundert Spielerinnen, Trainern und Managern, Chats, Nachrichten und E‑Mails wurden filtriert und es stellte sich heraus, dass Vereine, Liga und der Verband nicht nur wiederholt nicht angemessen auf die von den Spielern vorgetragenen Beschwerden und Beweise für Missbrauch reagiert hat, sondern nicht einmal die Mindestmaßnahmen zur Verhinderung und Bewältigung des Problems ergriffen hatten. Die Täter konnten also weiterhin ungestört agieren.

Der Fall Paul Riley

Die ehemalige Fußballerin Meleana Shim, die von Riley beim Portland Thorns FC trainiert wurde, war eine der ersten, die das Problem mit Riley offen ansprach. Ihr zufolge änderte sich die Aufmerksamkeit des Trainers ihr gegenüber im Jahr 2015. Während sich Riley zuvor mit untergriffigen Kommentaren über ihr Gewicht und ihren Körperbau begnügte, machte er ihr ab 2015 immer ausdrücklichere Komplimente. Im Flugzeug tauschte er die Plätze, um neben ihr zu sitzen, schrieb ihr SMS und lud sie auf einen Kaffee in sein Büro ein. Nach und nach fanden diese Treffen dann in Rileys Wohnung statt, und das immer öfter mitten in der Nacht.

Eines Abends lud der Trainer Shim zum Abendessen ein, aber dieses Treffen glich ihr zufolge eher einem Date als einem förmlichen Abendessen mit dem Trainer. Er bestellte für sie, schenkte ihr Wein ein und das Thema Fußball wurde nicht einmal angesprochen. Kurz darauf sagte Riley ihr, dass er mit ihr nach Hause gehen wolle. Angesichts der Ablehnung wurde er kalt und distanziert, bis Shim das Gespräch mit ihm wieder aufnahm. Teamkolleginnen berichteten, dass Riley „von Meleanas sexueller Orientierung und der Tatsache, dass sie mit Frauen ausging, wie besessen“ schien. Jedes Mal, wenn er die Umkleidekabine betrat, sprach Riley sie mit Sätzen wie, „Das kannst du mir nicht antun, du darfst nicht mit Mädchen ausgehen“ an, bis er ganz offen seinen Wunsch äußerte, mit ihr Sex haben zu wollen. Bei einer anderen Gelegenheit lud Riley angeblich Shim und ihre Mitbewohnerin Sinead Farrely in seine Wohnung ein und brachte die beiden Mädchen dazu, sich vor ihm zu küssen, um Schikanen beim Training am darauffolgenden Tag zu entgehen.

Andere Spielerinnen gaben ebenfalls an, Riley bei Übergriffen erlebt oder dabei gesehen zu haben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft nutzte Paul Riley seine Position als Cheftrainer der Philadelphia Independence außerdem aus, um Sinead Farrelly und zwei andere Spielerinnen sexuell zu nötigen. Paul Riley, der im Jahr 2021 alle Anschuldigungen von sich wies, war jedoch kein Einzelfall.

Der Fall Rory Dames

Auch der Ex-Trainer der Chicago Red Stars, Rory Dames, steht im Mittelpunkt der Ermittlungen. Laut Zeugenaussagen bezeichnete der Trainer seine Spielerinnen nach Fußballspielen als „Fotzen“, „Huren“, „Fettärsche“ und als „Zurückgebliebene“. Den opfern zufolge war es in der Umkleidekabine zu einer Situation „extremer Sexualisierung“ gekommen – Dames sprach die Spielerinnen offen über Oralsex und Petting an, erbat sich Massagen und baute tatsächliche sexuelle Beziehungen mit einigen Spielerinnen auf. Nach Erscheinen des Aufdeckungsartikels von 2021 beauftragten die Chicago Red Stars einen Psychologen mit einer anonymen Befragung aller Spielerinnen, die Dames miterlebt hatten. Sein Bericht zeigte, wie es dem Trainer gelungen war, in seiner Mannschaft eine Kultur der Angst zu etablieren, die maßgeblich dazu beitrug, dass die Übergriffe erst viel später publikgemacht wurden.

Der Fall Christy Holly

Der Dritte im Bunde ist der aus Nordirland stammende Coach Christy Holly. Er missbrauchte seine Spielerinnen in seiner Trainerzeit von Racing Lousville verbal und psychisch. Zunächst schickte der Trainer sexuell eindeutige Bilder und Nachrichten an die Fußballerin Erin Simon und forderte sie auf, es ihm gleichzutun. Dann lud er sie zu sich zu einer Filmvorführung eines aufgenommenen Fußballspiels ein. Statt des Spiels zwang er Simon jedoch, sich mit ihm einen Porno anzusehen. Vor einem Fußballspiel drohte er damit, sie „für jeden Fehlpass“ den sie gemacht hätte, zu begrapschen. Und diese Drohung löste er ihr zufolge auch ein. Sie berichtete, dass Holly wiederholt ihre Brüste begrapscht und immer wieder versucht hätte, seine Hand in ihre Hose zu stecken. Die Geschäftsführer von Racing Louisville entließen Holly zwar nach einer Weile, weigerten sich aber, die Gründe für die Entlassung des Trainers zu erläutern. Sie lieferten der Yates-Untersuchung auch keine Informationen über die Gründe der Entlassung. Auch dies ein Beispiel für die Unterschätzung des systemisch gewordenen Problems – würde sich Holly nun bei einem anderen Fußballclub als Trainer bewerben, könnte die neue Arbeitsstelle nur über seine letzte Entlassung spekulieren. Sie wüsste nicht mit Gewissheit, welcher Gefahr die Spielerinnen des Fußballvereins ausgesetzt wären unter ihrem neuen Coach.

Quelle:

ilFattoQuotidiano

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