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Lehrlingsmonitor zeigt Missstände auf

Wien. Der kürzlich erschienene vierte Lehrlingsmonitor des österreichischen Instituts für Berufsbildungsforschung verdeutlicht in Form einer quantitativen Studie eine große Unzufriedenheit von Lehrlingen mit ihrer Ausbildung und gewährt Einblick in die Situation in den Betrieben – inklusive massiver Missstände. Befragt wurden über 4.000 Lehrlinge in der Endphase sowie (erstmals) knapp 2.000 Lehrlinge in der Anfangsphase ihrer Ausbildung. 

„Wie ein schlecht bezahlter Hilfsarbeiter“

So gaben 26 Prozent der Lehrlinge an, dass sie pro Woche bis zu 5 Stunden ausbildungsfremde Tätigkeiten durchführen müssen, bei 12 Prozent sind es zwischen 6 und 10 Stunden. Ein weiteres Zehntel der Befragten muss sogar überwiegend ausbildungsfremde Tätigkeiten ausüben. Besonders auffällig seien laut Studie die Branchen Tourismus/Gastgewerbe/Hotellerie, Bau/Architektur/Gebäudetechnik und Büro/Handel/Finanzen. Auch Beispiele für ausbildungsfremde Tätigkeiten wurden erhoben: Am häufigsten wurden „Putzen“, „Reinigen von Toiletten“, „Rasenmähen“, „Müll entsorgen“, „Kaffee holen“, „Jause holen“, „Blumen gießen“ und „Auto putzen“ genannt. Weitere Nennungen: 

  • „Müll, Lieferungen, Wegputzen von Nachbars Hundescheiße. Alles Dinge die nicht erlaubt sind für mich als Lehrling“ (Zahntechnik).
  • „Putzen, einkaufen gehen für Chefin und Kolleginnen, Zigaretten kaufen gehen, usw.“ (Friseur (Stylist)/Friseurin (Stylistin))
  • „Rasenmähen, Fassade putzen, Fenster putzen, mit dem Hund Gassi gehen, Holz in Wohnung von Chef räumen, Küchenmöbel vom Chef anstreichen, Telefondienst“ (Kraftfahrzeugtechnik)
  • „Schlepparbeit, Putzen und Aufräumen nimmt mehr Zeit als meine Ausbildung ein. Ich komme nie zu einer floristischen Arbeit und es wird mir keine Möglichkeit gegeben mich im Handwerk zu verbessern. Ich komme mir vor (bin) wie ein schlecht bezahlter Hilfsarbeiter und werde kaum wie ein Lehrling behandelt.“ (Florist/-in)
  • „Wenn die Putzfrau nicht da ist, muss ich die Putzfrau sein. Muss in einen Container hineinsteigen und Kartons schlichten, Fenster putzen, Müll machen. Immer nur ich. Für Senioren Chefin Essen holen“ (Einzelhandel)
  • „Zusammen räumen, putzen. Mache halt nur solche Arbeiten, die kein anderer machen will“ (Metalltechnik)

„Ich hatte 220 Überstunden, die nicht ausbezahlt wurden“

Knapp ein Drittel der Lehrlinge macht regelmäßig Überstunden, 13 Prozent arbeiten durchschnittliche mehr als 45 Stunden. Von den Lehrlingen, die Überstunden schieben, machen 41 Prozent sie manchmal und 17 Prozent gar nicht freiwillig, außerdem werden 14 Prozent von ihnen die Überstunden nur manchmal und weiteren 14 Prozent gar nicht abgegolten. 

Ihr Lehrlingseinkommen erhalten 6 Prozent der befragten Lehrlinge nicht pünktlich. Die Branchen Tourismus/Gastgewerbe/Hotellerie, Medien/Druck/Design und Land- und Forstwirtschaft/Tiere/Pflanzen sind dabei mit 10 bis 19 Prozent negative Spitzenreiter. 

Ein Fünftel der Lehrlinge war zum Zeitpunkt der Befragung gerade in Corona-Kurzarbeit, ein Fünftel davon wiederum gab an, in dieser Zeit eher nicht oder gar nicht ausgebildet zu werden, ein weiteres Drittel nur teilweise. 

Zwei Fünftel der Befragten haben in ihren Betrieben keinen Betriebsrat oder Jugendvertrauensrat. Ein weiteres Fünftel wusste auf diese Frage keine Antwort – was auf einen (falls existenten) sehr inaktiven Betriebsrat bzw. Jugendvertrauensrat hinweist.

Zwei Fünftel haben bereits mehr oder weniger ernsthaft darüber nachgedacht, die aktuelle Ausbildung abzubrechen. Ebenfalls zwei Fünftel sind es, die sich nicht noch einmal für diesen Betrieb oder diesen Beruf entscheiden würden. Lehrlinge, die zuvor bereits einen anderen Lehrberuf begonnen, diese jedoch abbrachen, gaben über die Arbeitsbedingungen in den verlassenen Betrieben an: 

  • „Die Chefin hat mir keinen Urlaub und Krankenstand gegeben. Musste jeden Tag 10
    Stunden arbeiten und nach der Schule putzen kommen.“
  • „Nicht mit dem Chef ausgekommen bzw. dieser war sehr aggressiv. (Dieser wurde danach auch gekündigt)“
  • „Der Chef hat mich nicht gemocht.“
  • „Da ich in der Arbeit gemobbt bzw. nur ausgelacht und verarscht wurde von den Kollegen auch von meinem Vorgesetzten“
  • „Mobbing am Arbeitsplatz“
  • Ich hatte 220 Überstunden die mir nicht ausgezahlt wurden bzw. durfte ich im 1.
    Lehrjahr mit 17 Jahre gar keine Überstunden machen; das wusste ich leider nicht.
  • Ich habe zwei Jahre nur das Gleiche gemacht.

Auftraggeber der Studie sind die Arbeiterkammer Wien sowie der Österreichische Gewerkschaftsbund. 

Quelle: ÖGB

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