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„Riders on Strike“ – Mjam-Boten in Wien fordern höhere Löhne und sichere Arbeitsbedingungen

Wien. Nach der Streikaktion von ca. 100 Fahrradboten des Essenszustellers Mjam letzten Sonntag, organisierten die Beschäftigten am 24. Oktober eine weitere Streikaktion in der Wiener Innenstadt. Über 100 Mjam-Boten versammelten sich wieder am Christian-Broda-Platz, um für höhere Löhne, sichere Arbeitsbedingungen und bessere Arbeitsverträge sowie gegen den steigenden Arbeitsdruck durch die Geschäftsleitung zu demonstrieren. Insgesamt beteiligten sich 150 Personen an der Streik- und Protestaktion.

Überlastung und Ausbeutung als Normalzustand

Gerade einmal 4 Euro pro Bestellung werden den Mjam-Boten zugesichert. Bei durchschnittlich 2 Bestellungen pro Stunde bedeutet das ein Stundenlohn von 6,48 Euro netto – ein Hungerlohn also, welcher angesichts der Teuerungswelle durch die Inflation für Güter des täglichen Bedarfs, der explodierenden Energiekosten und Mieten völlig inakzeptabel ist. Mjam selbst aber beteuert, dass nur 1,8 Prozent der Riders einen so geringen Stundenlohn erhielten. Laut ihrer PR-Agentur „Reichl und Partner“ verdienen Mjam-Boten einen durchschnittlichen Stundenlohn in Höhe von 12 Euro brutto exklusive Trinkgeld. Damit würde man besser bezahlen als im Kollektivvertrag. Unerwähnt bleibt aber, dass laut ORF Wien gerade einmal 51 Prozent der Riders in Wien angeblich 12 Euro oder mehr pro Stunde erhalten, zu ebenjenen schlechten Arbeitsbedingungen, weswegen die Riders Streikaktionen durchführen. So müssen Mjam-Boten ihre eigenen Fahrräder benutzen – laut einer Vernetzungsplattform des ÖGB für Fahrradkuriere, dem „Riders Collective“, fühlen sich Beschäftigte gezwungen leistungsstarke Fahrräder wie teure E‑Bikes zu kaufen, und ihr eigenes Datenvolumen und Handy einzusetzen.

Ähnlich wie andere Lieferdienste, sind die Arbeitsverhältnisse prekär, weil einerseits die Geschäftsleitungen den Arbeitsdruck immer weiter verdichten, um bei gleichbleibenden bzw. sinkenden Ausgaben für den Betrieb immer mehr Profite zu generieren, gleichzeitig aber die sprudelnden Gewinne in keinster Weise an die Beschäftigten zurückfließen, von denen viele Migrantinnen und Migranten, Studierende und Armutsbetroffene sind. Die prekäre Lage der Mjam-Boten, die im Vergleich zu Konkurrenten am Markt nicht Teil des 2019 geschaffenen Kollektivvertrages sind, drückt sich besonders im Arbeitsvertrag aus: 93 Prozent der Mjam-Boten sind „Freie Dienstnehmer“. Die angeblichen Freiheiten, die damit einhergehen, weil man rechtlich nicht weisungsgebunden an Mjam als Arbeitgeber ist, entsprechen natürlich nicht der Realität; hält man nicht Schritt mit der geforderten Produktivität oder pocht auf Arbeitsrechte, kann man ohne Begründung gefeuert und im schlimmsten Fall sogar auf eine „Schwarze Liste“ gesetzt werden.

Schmutzige Tricks gegen Kampfbereitschaft

Die weiterverbreiteten freien Dienstverträge bedeuten einen Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Überstunden- und Nachtzuschläge sowie eine volle Krankenversicherung. Auch für andere Lieferdienste wie bei „Lieferando“ & Co. sind schmutzige Tricks der Arbeitgeber, um mehr Profite zu erpressen, an der Tagesordnung. Als Reaktion auf die zweite Streikaktion der Mjam-Boten hat Mjam als Arbeitgeber nun den Stundenlohn „erhöht“ – nämlich um 1 Euro für die kommenden 3 Sonntage ab 16 Uhr. Damit ist klar, dass man versuchen will, die Mjam-Boten zu beschwichtigen, sich nicht mit den streikenden Kolleginnen und Kollegen zu solidarisieren und potentiellen Streikaktionen in der Zukunft den Wind aus den Segeln zu nehmen. Genau das ist es, worauf auch sozialpartnerschaftliche Deals bei Lohn- und KV-Verhandlungen beruhen: das angeblich „kleinste Übel“ mit den Arbeitgebern zu beschließen, indem die Belegschaft mit Brotkrümel abgespeist wird, während Plattformunternehmen wie Mjam & Co. mittlerweile Milliarden an der Börse wert sind.

Auch Beschäftigte anderer Lieferdienste sollten sich an der Streikaktion beteiligen und die Kampfbereitschaft der Mjam-Boten als Ausgangspunkt nehmen, um die KV-Verhandlungen für die Branche außerhalb der sozialpartnerschaftlichen Bahnen zu lenken und über Betriebsversammlungen und Streikkomitees die Beteiligung nicht nur der kampfbereitesten Beschäftigten, sondern auch eingeschüchterte Beschäftigte in die Kampfmaßnahmen einzugliedern.

Quellen: Standard / ORF / RidersCollective

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