Eine Umfrage zeigt, dass viele Wiener Ärztinnen und Ärzte regelmäßig Gewalt erfahren, insbesondere durch Patientinnen, Patienten und deren Angehörige, wobei Spitalsärzte sowie jüngere und angestellte Mediziner besonders betroffen sind. Die Ärztekammer fordert zusätzliche Kassenstellen, besseren Schutz durch die Exekutive, Deeskalationstrainings und konsequentes Handeln der Spitalsträger, um Gewalt am Arbeitsplatz zu verhindern.
Wien. Die Ärztekammer Wien hat eine Untersuchung zu Gewalterfahrungen unter Ärztinnen und Ärzten durchgeführt. Demnach sind 37 Prozent regelmäßig von Gewalt betroffen. Sie fordert daher Maßnahmen seitens der Politik und der Krankenhausträger. Zuletzt schrieb die ZdA über die Zunahme von Gewaltfällen in Kliniken v.a. in Bezug auf das Krankenhauspersonal im Raum Oberösterreich.
Über die Hälfte der 1.102 befragten Medizinerinnen und Mediziner Wiens habe in den vergangenen zwei Jahren mindestens einmal verbale Gewalt erlebt, während ein Viertel psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen sei. Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart erklärte bei der Vorstellung der Studie, die vom Meinungsforschungsinstitut Peter Hajek durchgeführt wurde, dass 16 Prozent der Befragten auch körperliche Gewalt erfahren hätten.
1000 Kassenplanstellen mehr notwendig
Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart zeigte sich „mit großer Sorge“ über die Ergebnisse der Umfrage. Gemeinsam mit seinen Wiener Vizepräsidentinnen Naghme Kamaleyan-Schmied und Natalja Haninger-Vacariu forderte er österreichweit mindestens 1.000 zusätzliche Kassenplanstellen, um Wartezeiten – auch bei Operationen in Spitälern – zu reduzieren. Die Politik müsse Maßnahmen entwickeln, um gewaltfreies Arbeiten sicherzustellen, und Gesundheitseinrichtungen bräuchten verstärkten Schutz durch die Exekutive, hieß es seitens der Ärztekammer.
Zudem wurde an die Spitalsträger appelliert, das Bewusstsein für Gewalt im Berufsalltag zu schärfen. Übergriffe sollten nicht verharmlost, sondern konsequent dokumentiert und analysiert werden. Darüber hinaus seien Deeskalationstrainings erforderlich, um Ärztinnen und Ärzten Werkzeuge für den Umgang mit Konflikten an die Hand zu geben. Aggression und Gewalt dürften in Ordinationen und Spitälern keinen Platz haben, betonten die Mitglieder des Wiener Ärztekammer-Präsidiums.
Allgemeiner Anstieg der Aggressivität
Laut der Umfrage gehe die Gewalt überwiegend von Patientinnen und Patienten aus, gefolgt von deren Angehörigen. Als Hauptgründe für Aggressionen und Gewalt würden lange Wartezeiten, überfüllte Praxen und Krankenhäuser sowie Personalmangel genannt. Zudem hätten 71 Prozent der befragten Wiener Ärztinnen und Ärzte einen allgemeinen Anstieg der Aggressivität in der Gesellschaft festgestellt.
Unter den 37 Prozent der Ärztinnen und Ärzte, die in den letzten zwei Jahren regelmäßig Gewalt erlebt haben, hätten 27 Prozent angegeben, „immer wieder“ betroffen zu sein. Acht Prozent seien „häufiger“ und zwei Prozent „beinahe täglich“ mit Gewalt in ihrem Beruf konfrontiert.
Besonders Spitalsärzte berichteten laut Umfrage häufig von Gewalterfahrungen (60 Prozent), doch auch in Ordinationen käme es mit einer Häufigkeit von 30 Prozent zu Vorfällen. Laut Hajek seien vor allem unter 40-Jährige, angestellte Ärzte und Beschäftigte im Wiener Gesundheitsverbund stärker betroffen. Zudem hätten mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) bereits psychische Unsicherheit aufgrund der Gewalt erlebt. 68 Prozent der Teilnehmenden äußerten den Wunsch nach verstärkten Maßnahmen gegen Gewalt am Arbeitsplatz.
Quelle: ORF