Wien. Während soziale Ungleichheit wächst, Mieten explodieren und Löhne stagnieren, treibt die österreichische Bundesregierung mit dem geplanten Einsatz des sogenannten „Bundestrojaners“ einen autoritären Umbau der Gesellschaft voran. In Wahrheit handelt es sich um nichts weniger als einen Frontalangriff auf demokratische und digitale Grundrechte – ein Überwachungswerkzeug, das alle trifft, aber besonders jene, die sich Kritik an der bestehenden Ordnung leisten. Es geht nicht um Schutz der Bevölkerung, sondern um Kontrolle und Einschüchterung derer, die sich dem kapitalistischen Normalbetrieb widersetzen.
Sicherheit für wen? Kontrolle über wen?
Der Bundestrojaner ist kein Sicherheitsinstrument. Er ist ein Machtinstrument. Er schützt keine Armen vor Gewalt, keine Arbeiter und Arbeiterinnen vor Ausbeutung, keine Familien vor Wohnungslosigkeit. Er schützt Eigentum, Kapitalinteressen und ein System, das sich gegen jede Kritik immunisieren will. Wer kapitalistische Ausbeutung thematisiert, wer Klassenkampf von oben benennt, wer Enteignung statt Sozialabbau fordert – wird künftig potenzielles Ziel staatlicher Spionage. Das ist keine Verschwörung, das ist System.
Laut einem offenen Brief von über 50 zivilgesellschaftlichen Organisationen aus ganz Europa – darunter Amnesty International, epicenter.works, der Chaos Computer Club und Attac – stellt der Bundestrojaner eine massive Gefahr für die Informationssicherheit und das demokratische Gleichgewicht dar. Dass dieser Eingriff unter dem Deckmantel der Sicherheit gerechtfertigt wird, ist ein klassisches Beispiel für bürgerlich-staatliche Heuchelei: Der Staat wird selbst zum Hacker – in direkter Konkurrenz zu den kriminellen Strukturen, die er vorgibt zu bekämpfen.
Wer kontrolliert die Kontrolleure?
Der Entwurf sieht vor, dass die Kontrolle des Einsatzes dieser Spionagesoftware durch einen Rechtsschutzbeauftragten erfolgen soll – dieser ist jedoch organisatorisch dem Innenministerium unterstellt, also genau jener Stelle, die den Trojaner überhaupt einsetzt. Damit ist jede Vorstellung einer unabhängigen Kontrolle eine Farce. Die „Vertrauenswürdigkeitsprüfung“ der Kontrollinstanz erfolgt sogar durch den Geheimdienst selbst. Eine derartige institutionalisierte Selbstkontrolle untergräbt nicht nur rechtsstaatliche Prinzipien, sondern öffnet der politischen Willkür Tür und Tor.
Die angeblich „unabhängige Kontrolle“ des Trojanereinsatzes ist ein schlechter Witz: Kontrolliert wird hier gar nichts, außer die Bevölkerung. Und das auf Zuruf politischer Machtinteressen – oft genug gegen klassenkämpferische Bewegungen, Kommunistinnen und Kommunisten, Linke.
Angriff auf die Informationssicherheit aller
Der Bundestrojaner wird als „gezielte Maßnahme“ verkauft, doch diese Beschreibung ist technologische Fiktion. Kein Trojaner kann ausschließlich einzelne Messenger-Apps überwachen, ohne gleich das gesamte Gerät zu kompromittieren. Jede Schwachstelle, die für solche staatliche Überwachung offen gelassen wird, ist eine Einladung an Kriminelle, Hacker und ausländische Geheimdienste. Statt Sicherheitslücken zu schließen, hält der Staat sie absichtlich offen – eine derartige Gefährdung der Allgemeinheit durch absichtlich nicht geschlossene Sicherheitslücken hat in anderen Ländern bereits dazu geführt, dass Krankenhäuser, Zugverbindungen und Mobilfunknetze außer Betrieb gesetzt wurden.
Besonders gefährdet: Journalisten, Aktivisten, Oppositionelle
Die Geschichte internationaler Überwachungsskandale zeigt, wer von solchen Maßnahmen besonders betroffen ist: So wurde in Spanien mit der Software „Pegasus“ gegen Journalistinnen und Journalisten, Oppositionelle und selbst Regierungsmitglieder spioniert. In Griechenland flog der „Predatorgate“-Skandal auf, in Polen traf es fast 600 Personen. Der Trojaner wird nicht gegen „Kriminelle“ eingesetzt, sondern gegen jene, die den Status quo infrage stellen.
Die digitale Aufrüstung des Staates gegen das Volk
Was hier betrieben wird, ist digitale Klassenpolitik: Der bürgerliche Staat schützt nicht das Kollektiv, sondern seine Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse. Seine Repression richtet sich in erster Linie gegen jene, die diese Ordnung infrage stellen. Der digitale Ausbau der Repression ist eine Reaktion auf die sich vertiefende Krise des Kapitalismus: Streiks, Proteste, Aufstände – sie sollen frühzeitig erkannt, isoliert, zerschlagen werden. Der Bundestrojaner ist der digitale Schlagstock gegen jede Systemkritik.
Diese Entwicklungen sind keine Fehlentwicklung, sondern logische Folge kapitalistischer Herrschaftssicherung. Der Bundestrojaner ist dabei ein besonders gefährliches Instrument. Er dient nicht dem Schutz der Bevölkerung, sondern der Überwachung jener, die es wagen, Widerstand zu leisten – digital, politisch oder journalistisch.
Quelle: Offener Brief epicenter.works