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Menschenrechte statt „Licht ins Dunkel“

Die ORF-Spendenkampagne „Licht ins Dunkel“ soll Menschen mit Behinderung helfen. Doch diese brauchen nicht Almosen und Negativdarstellung, sondern Selbstbestimmung und gesetzliche Rechte.

Wien. Nachdem wir uns nun amtlich in der Adventzeit befinden, flammt die Diskussion um die traditionelle ORF-Spendenkampagne „Licht ins Dunkel“ (LiD) wieder auf. Zum heurigen 50-jährigen Jubiläum veröffentlichte die Online-Plattform „andererseits“ eine Dokumentation mit dem Titel: „Das Spendenproblem. Warum Menschen mit Behinderung die Abschaffung von LiD fordern“. Die Bedenken sind nicht neu, in der Vergangenheit wurden sie wiederholt von Behindertenorganisationen geäußert, so z.B. vom Dachverband SLIÖ oder vom Verein BIZEPS.

Dabei geht es um den nach 50 Jahren wahrlich überkommenen Ansatz von LiD: Menschen mit Behinderung werden als hilflose und nicht vollwertige Personen vorgeführt, woraufhin an die Barmherzigkeit appelliert wird: Es werden Almosen gesammelt, um das Schicksal der bemitleidenswerten Betroffen zu lindern. Im Mittelpunkt stehen der Makel, die Negativdarstellung sowie als Kontrast die individuelle wie kollektive Milde der imagegepflegten Makellosen. Abgesehen von der christlichen Aufladung der Inszenierung, die auch nicht jedermanns Sache ist, und des „Freikaufens“ durch Unternehmen, die von beruflicher Inklusion nichts wissen wollen, werden mit dieser Darstellung durch die LiD-Kampagnen Vorurteile verfestigt und die nötige Förderung der Selbstbestimmung torpediert.

Man kann es auf eine einfache Formel bringen, was stattdessen richtig wäre: Menschen mit Behinderung brauchen Menschenrechte, nicht Almosen. Es stimmt freilich, dass mit den gesammelten Spendengeldern Initiativen und Personen unterstützt werden, die diese auch tatsächlich benötigen, doch darf man in einem „reichen“ und funktionierenden Land wie Österreich erwarten, dass solche Lücken staatlicherseits geschlossen werden – ohne dass Bundespräsident, Regierung, Soldaten, Künstler und Sportler als Heilsbringer in einer quotenträchtigen TV-Gala ausrücken müssen. Die 13,5 Millionen Euro, die 2021 zusammenkamen, könnten leicht aus dem Staatshaushalt bestritten werden, ohne Mitleidsschiene und Vorführung von Betroffenen mit Jahrmarktsflair.

Menschen mit Behinderung sind keine Bittsteller, sondern haben Rechte. Diese sollten eigentlich die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung sowie der „Nationale Aktionsplan Behinderung“ gewährleisten, doch wurden seitens UN-Prüfungen für Österreich grundsätzliche Mängel festgestellt. Hier ist die Politik gefordert. Die Bundesregierung sowie ihre Mehrheit im Parlament sollten Menschen mit Behinderung direkt über brauchbare Gesetze unterstützen, die Barrieren und Hindernissen für Inklusion und umfassende Selbstbestimmung beseitigen. Dies wäre eine zentrale Voraussetzung für die vollständige, selbst definierte gesellschaftliche Teilhabe sowie dafür, dass in Menschen mit Behinderung nicht mehr bloße Objekte, sondern handlungsfähige Subjekte gesehen werden, die nicht aufs Betteln angewiesen sind.

Quelle: Der Standard

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