Wien. Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) kündigte diese Woche an, Österreich wolle zum „sicheren Hafen“ für gefährdete Studierende und Forschende aus den USA werden. Angesichts der autoritären Entwicklungen unter Donald Trump sei die akademische Freiheit dort bedroht – Österreich hingegen könne Sicherheit, Gewaltenteilung und ein freies Forschungsumfeld bieten. Neben einer Gesetzesnovelle zur erleichterten Berufung von US-Forschenden und einem neuen Stipendienprogramm für „Students at Risk“ soll diese Initiative international sichtbar gemacht werden.
Was nach humanitärer Geste klingt, wirft jedoch grundlegende Fragen auf. Denn im Schatten dieser wohlklingenden Worte bleibt Österreichs Wissenschaftssystem für viele, die hier forschen und lehren, ein Ort der Unsicherheit und Prekarität. Seit dem Umbau der Hochschulstrukturen in den 2000er Jahren wurden die Arbeitsbedingungen massiv verschärft – befristete Verträge, Kettenarbeitsverhältnisse und ein gnadenloser Wettbewerb um knappe Fördermittel prägen den Alltag. Im europäischen Vergleich sticht Österreich mit besonders schlechten Bedingungen hervor.
Noch schwerer wiegt, dass die angekündigten Programme keinerlei zusätzliches Budget erhalten. Bestehende Fördertöpfe sollen lediglich anders beworben werden. Gleichzeitig wird das sogenannte „Opportunity Hiring“ – also Berufungen ohne Ausschreibungen – nun für Forschende aus den USA ausgeweitet. Was Beteiligungsprozesse aushöhlt.
Hinzu kommt: Wer hierzulande offen zu Fragen internationaler Gerechtigkeit, zur Situation in Palästina oder zur Rolle Israels Stellung bezieht, sieht sich schnell mit Repression konfrontiert. Die polizeilichen Räumungen palästinasolidarischer Protestcamps an Universitäten und die Absage von Veranstaltungen zum Nahostkonflikt widersprechen fundamental der Idee einer freien, offenen Wissenschaft. Die Staatsräson einer nahezu blinden Israel-Solidarität wird auch international kritisch gesehen – nicht nur unter US-Wissenschafterinnen und ‑wissenschaftern.
Diese Entwicklungen fallen in eine politische Atmosphäre, in der wissenschaftsfeindliche Ressentiments salonfähig sind. Der anhaltende Zuspruch zur FPÖ zeigt: Wissenschaftsfreiheit ist auch in Österreich bedroht – nicht nur in Trumps Amerika. Dass es aber nicht einmal rechtspopulistische Parteien braucht, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, beweisen die Hochschulen und Regierungsstellen selbst.
Die geplanten Programme für gefährdete Forschende verdienen grundsätzlich Unterstützung. Doch ohne strukturelle Verbesserungen für alle in der Wissenschaft Tätigen, ohne echte demokratische Debattenräume und ohne Aufarbeitung der eigenen blinden Flecken – sei es bei gesellschaftlich verankertem Rassismus oder Beschäftigungsbedingungen sowie Debattenfreiheit – bleibt diese Initiative ein zynisches Feigenblatt.
Beim Vorstoß von Holzleitner handelt es sich offenbar mehr um einen Wunsch als um eine realistische Perspektive auf die Situation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Österreich, egal ob einheimische oder eingewanderte. Die Förderlandschaft ist schlecht, wenig unbefristete Stellen und im Alltag Rassismus mit Genderverbot in Niederösterreichs Amtsdokumenten.
Quelle: ORF