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Wohnsitz und Wahlrecht

Bei den anstehenden Wiener Wahlen sind alle Menschen wahlberechtigt, die in der Bundeshauptstadt einen ordnungsgemäßen Hauptwohnsitz angemeldet und hier ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt haben. Wirklich alle? Keineswegs!

Wien. Nein, es geht jetzt nicht schon wieder um HC Straches Villa in der Klosterneuburger Katastralgemeinde Weidling. Also … fast nicht. Das Wahlreferat (ironischer Weise gleichzeitig Meldeamt) der Gemeinde Wien wird die Frage, ob Strache in Wien oder Niederösterreich lebt, überprüfen und nach den Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen am 11. Oktober wird es – so oder so – entweder eine Anfechtung der Liste THC oder eine der FPÖ geben. So viel scheint fix zu sein. Im Zweifelsfall kann Strache 2025 ja dann für den Klosterneuburger Gemeinderat kandidieren – da ist die prozentuelle Mandatshürde auch niedriger.

Strache ist kein Einzelfall

Auffällig ist das bemühte breite Schweigen der anderen Parteien in dieser Causa. Warum dieses? Ganz einfach: Weil sie auch ihre Leichen im Keller haben. Auch bei den anderen Parteien haben willkürliche Wechsel des angeblichen Hauptwohnsitzes und Scheinanmeldungen System. Entweder es geht darum, ortsfremde Leute in Landgemeinden anzumelden, um diesen oder jenen Bürgermeistersessel abzusichern; oder prominente Funktionäre wollen irgendwo kandidieren, wo sie keineswegs ihren Lebensmittelpunkt haben. Ein historisches Beispiel ist Jörg Haider (FPÖ/BZÖ), der einmal Landeshauptmann von Kärnten, dann wieder Bürgermeister von Wien werden wollte. Aber auch aktuell gibt es in Wien Parteifunktionäre, gewählte Amtsinhaber und nominierte Kandidaten, die in Wirklichkeit gar nicht in Wien, sondern in einem anderen Bundesland wohnen – zumeist im umgebenden niederösterreichischen „Speckgürtel“, was ja auch angenehmer ist als eine alte Gemeindewohnung, die man trotzdem behalten will (wie eben auch das GR/LT- oder BV-Mandat). Der ZdA-Redaktion sind entsprechende Fälle und Namen bekannt, doch werden wir uns nicht auf dieses Spielchen einlassen und aufs Name-Dropping verzichten. Denn uns geht es um etwas Anderes.

Keine Gleichheit zwischen Herrschenden und Untertanen

Evident ist: Die politisch Herrschenden richten es sich eben wieder einmal, wie es ihnen gerade in den Kram passt. Sie betrügen die Wiener Bevölkerung, sie täuschen gezielt die Behörden und brechen somit Gesetze – und halten dies für Kavaliersdelikte oder sogar legitimen Trickreichtum. Aber wehe, wenn eine normale Wiener Familie mal unpräzise Angaben über ihre Wohn- oder Einkommenssituation macht, um endlich doch noch eine leistbare Gemeindewohnung oder vernünftige Sozialleistungen zu erhalten – dann gibt es Strafen und einen lebenslangen Platz auf der schwarzen Liste. Quod licet Iovi, non licet bovi. Die Herrschenden sind immer gleicher als die Untertanen – auch im bürgerlichen Demokratismus der kapitalistischen Gesellschaft. Papier ist geduldig, die Realität ist eine abweichende. Dabei möchte man meinen, dass die Gesetze, Pflichten, Vorschriften und Verordnungen für alle Menschen gleichermaßen gelten sollten. Und ebenso trifft dies auf die Rechte zu. Womit wir beim eigentlichen Punkt wären.

Wienerinnen und Wiener ohne Rechte

Es gibt in Wien rund 300.000 Menschen, die hier ohne jeden Zweifel ihren Lebensmittelpunkt haben, die hier wohnen, arbeiten und Steuern zahlen, die den geltenden Gesetzen unterworfen sind, die bestimmte Pflichten erfüllen. Doch sie verfügen über keinerlei demokratische Rechte, um diese Bedingungen auch – so wie alle anderen Wienerinnen und Wiener – zu beeinflussen. Es erscheint als logischer Zusammenhang, dass jeder Mensch, der gesetzliche Pflichten hat, auch gesetzliche Rechte haben sollte. Doch diese Menschen sind von der politischen Entscheidungsfindung – so deformiert sie im bürgerlichen Parlamentarismus auch sein mag – komplett ausgeschlossen, sie verfügen über kein Wahlrecht: Weil sie weder eine österreichische Staatsbürgerschaft haben – noch die eines EU-Staates, womit in Wien wenigstens auf der Bezirksebene das Wahlrecht verbunden wäre. Der vorgeschobene Grund ist: Wien ist auch Bundesland, der Gemeinderat ist gleichzeitig Landtag und hat somit legislative Funktionen – und die Wahlmöglichkeit eines solchen Vertretungskörpers müsse auf Staatsbürger beschränkt sein. Doch genau darum geht es eben: Die Gesetze sind nicht auf diese beschränkt – warum dann die Organisierung der Gesetzgebung? Aus Sicht der Herrschenden ist die Antwort: Weil sich Menschen ohne Rechte leichter unterdrücken und ausbeuten lassen.

Demokratie für alle

Die Partei der Arbeit Österreichs ist der Ansicht, dass alle, die für einen signifikanten Zeitraum an einem Ort leben, an diesem auch politische Rechte zur demokratischen Mitbestimmung haben sollten. Es ist nur eine deformierte, in keiner Form repräsentative Scheindemokratie, wenn man sich das „Demos“ zuvor maßschneidert und einen relevanten Teil der Bevölkerung ausschließt. In Wien sind das, wie gesagt, etwa 300.000 Menschen – also rund 18 Prozent der erwachsenen Bevölkerung der Bundeshauptstadt. Betroffen sind insbesondere Wienerinnen und Wiener mit serbischer, bosnischer, türkischer, albanischer oder russischer Staatsbürgerschaft, aber natürlich auch Menschen aus Amerika, Afrika, Asien – oder aus der Schweiz. Viele davon haben seit Jahren oder sogar Jahrzehnten einen (ordnungsgemäß angemeldeten) Hauptwohnsitz in Wien, sie tragen hier zu Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie zum österreichischen Staatshaushalt bei. Sie sollten auch endlich politisch-demokratische Rechte erhalten, darunter das aktive und passive Wahlrecht auf allen Ebenen. Das hat auch nichts mit einem willkürlichen „Ausländerwahlrecht“ zu tun, das als Bedrohung gerne an die Wand gemalt wird, sondern umfassende demokratische Partizipation wäre geradezu eine wichtige Integrationsmaßnahme in einer internationalen Großstadt wie Wien.

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