HomeWeitere RessortsKommentar„Gehirnkälte verdrängt Herzenswärme“

„Gehirnkälte verdrängt Herzenswärme“

Über die Abschiebung eines kurdischen Asylwerbers aus Wien

Gastbeitrag von Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i. R. für Geschichte an der Universität Innsbruck.

Karl Helmreich, ein Benediktinerpater aus Hirtenberg, der sich immer wieder für die Solidarität mit dem vom Genozid durch Israel bedrohten palästinensischen Volk einsetzt und exponiert, hat am 16. Jänner d. J. an Bundeskanzler Karl Nehammer diesen Brief geschrieben:

„Bräutigam am Standesamt verhaftet.

Herr Bundeskanzler Karl Nehammer!

Es ist dies ein offener Protestbrief. Nach Meldung des ORF ist der Bräutigam Kurde aus der Türkei, seit 2022 in Österreich als Asylwerber, weil er den Wehrdienst in der Türkei verweigert hat. Die Hochzeit war nach vorliegender Meldung schon länger geplant. 10 Tage vor dem Termin hat der junge Mann den negativen Bescheid erhalten. Immer noch scheint es Vorschrift, dass die Standesämter eine Hochzeit mit Fremden vorher der Fremdenpolizei melden müssen. Obwohl der ORF meldet: „dass eine reine Eheschließung an dem unsicheren Aufenthaltsstatus nichts ändert“, wird ein solch erschreckend unmenschlicher Akt gewählt. Die UN-Vollversammlung 1987 hat das Recht auf Wehrdienstverweigerung anerkannt und 2004 die Staaten aufgefordert, dies in die nationale Gesetzgebung aufzunehmen. Das haben nicht alle Staaten getan. Der junge Mann ist Kurde mit türkischer Staatsbürgerschaft. Die Türkei anerkennt das Verweigerungsrecht nicht und geht zudem immer wieder gegen die eigenen Kurdengebiete mit Militärgewalt vor. Der junge Mann hat also zu Gewissensgründen noch Gründe aus seiner Zugehörigkeit zur Ethnie der Kurden. Österreich sollte Wehrdienstverweigerern, die dieses Rechts in ihrem Herkunftsland beraubt sind und mit Haft und Bestrafung bedroht sind, Asyl gewähren. Das wurde nie ausreichend beachtet – ich habe das als Flüchtlingsberater und ‑betreuer schon bei den Kosovoalbanern erlebt. Die Art des Vorgehens allein ist beschämend und die Rechtsprechung in den Asylverfahren immer noch mangelhaft. Inhumanes Vorgehen und Rechtsmängel ließen sich ja korrigieren.“

Die Kurden, heute etwa 35 Millionen Menschen, sind eines der ältesten Völker des Mittleren Ostens mit einer mehr als tausendjährigen Geschichte. Ihre Ethnie ist auf mehrere Staaten verteilt, der geographisch und bevölkerungsmäßig größte Teil Kurdistans mit etwa 15 Millionen Menschen liegt im türkischen Ostanatolien. Die ursprüngliche Religion der Kurden ist die alevitische, deren Wesenszug Gewaltlosigkeit und Verbundenheit mit der Natur ist. Die Islamisierung hat die Wurzeln dieses Glaubens nicht ausgetrocknet. Der kurdische Poet Hasan Dewran schreibt über die Konfrontation des alevitischen Menschenbildes mit der von den herrschenden politischen Eliten repräsentierten österreichischen Gesellschaft:

„Gehirnkälte verdrängt Herzenswärme.

Vater Staat vergewaltigt Mutter Erde.

Der Mensch als Untier

Reitet blind auf seinem Hass

Auf der Bahn der Zivilisation

In den Abgrund.“

Österreichs Regierung setzt mit der Abschiebung eines jungen kurdischen Asylwerbers ein weiteres demonstratives Zeichen für ihre Bereitschaft, die Menschenrechte allein nach ihrem machtpolitischen Kalkül zu interpretieren. Ihre Parteinahme für den Genozid Israels am palästinensischen Volk ist besonders dramatisch.

Literatur:

Gerhard Oberkofler: Weshalb sind Kurden in Österreich? Weshalb sind Kurden in Österreich? – Zeitung der Arbeit (dort auch Literaturhinweise zur Geschichte der Kurden).

Hasan Dewran: Gute Reise. In: Tausend Winde – ein Sturm. Gedichte und Aphorismen. Edition Orient. Der orientalische Diwan 3, Berlin 1988 (ohne Seitenangaben). 

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