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Andorra: Schwangerschaftsabbruch darf diskutiert werden

In Andorra wurde eine prominente Frauenrechtlerin entgegen vielen Erwartungen vor Gericht freigesprochen. Sie hatte das rigorose Verbot des Schwangerschaftsabbruchs in dem kleinen Pyrenäenstaat prägnant kritisiert.

Andorra la Vella. Im Fürstentum Andorra war es zum Jahresende zu einem aufsehenerregenden Prozess gekommen. Vanessa Mendoza Cortés, die Vorsitzende der Frauenrechtsorganisation „Stop Violències“, musste sich vor Gericht verantworten, nachdem ihr die Staatsanwaltschaft eine massive Rufschädigung der staatlichen Sozialbehörden vorwarf. Konkret ging es um Mendozas Aussage im Rahmen einer UN-Konferenz, in Andorra würden die Behörden minderjährige Mädchen, die nach einer Vergewaltigung schwanger werden, auffordern, das Kind auszutragen und dann zur Adoption freizugeben.

Hierzu muss man zunächst wissen, dass in Andorra tatsächlich eines der strengsten Abtreibungsverbote Europas gilt. Denn es gilt absolut, auch bei schwerer Fehlbildung des Fötus, bei Vergewaltigungen und für Minderjährige – nur eine ernste Gefahr für das Überleben der Mutter bietet eine potenzielle Ausnahme. Ein Verstoß wird mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zweieinhalb Jahren geahndet. Daher sind Andorranerinnen bei Schwangerschaftsabbrüchen auf Einrichtungen im benachbarten Frankreich oder Spanien angewiesen, wo der privatmedizinische Eingriff dann aber freilich mit hohen Kosten verbunden ist.

Insofern war Mendozas Aussage zwar zugespitzt, aber keineswegs falsch. Doch das war nicht der Grund für den Freispruch. Dieser erfolgte formal lediglich deswegen, weil die Angeklagte über eine Frage „von allgemeinem Interesse“ diskutierte, „ohne dabei auf bestimmte Beamte oder Würdenträger Bezug zu nehmen“. Kurz gesagt: Die Sache war dem Gericht nicht konkret genug. Daher kam die Staatsanwaltschaft mit ihren Forderungen – 12.000 Euro Geldstrafe und sechs Monate Funktionsverbot – nicht durch.

Gleichzeitig hat das Gericht aber indirekt zugestanden, dass eine öffentliche Diskussion des Status quo zulässig sein muss. Viele Andorraner und Andorranerinnen sind freilich der Meinung, dass sie geradezu notwendig ist. Und insofern muss man das Urteil als einen gewissen Erfolg werten, der den Kampf Mendozas und anderer Aktivistinnen für die weibliche Selbstbestimmung sowie gegen Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen durchaus fördern kann. Der zu gehende Weg scheint jedoch noch ein langer zu sein.

Quelle: Der Standard

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