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Korruption und Macht

Im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss wird wieder einiges zutage gefördert, das manche Illusionen in den bürgerlichen Staat zerstört. Korruption gehört dazu, ist jedoch nicht das Hauptproblem. Die wirklichen Machtverhältnisse bleiben im Verborgenen.

Ein Kommentar von Otto Bruckner, stv. Vorsitzender der Partei der Arbeit

Wenn Florian Klenk, der Chefredakteur des „Falter“, als Zeuge vor dem „Ibiza“-Untersuchungsausschuss aussagt, oder als Journalist vom Tagesgeschehen im Ausschuss berichtet, dann halten das Viele für eine Sternstunde des unabhängigen Journalismus. Das Unabhängige am Falter ist tatsächlich, dass er zu den wenigen Zeitungen und Zeitschriften gehört, die noch nicht im Besitz der katholischen Kirche, des Raiffeisenverbandes oder der Familien Dichand, Benko und Fellner sind. Deshalb wird er auch mit weniger Presseförderung bedacht als zum Beispiel die Zeitschrift des Österreichischen Bauernbundes. Unabhängiger Journalismus ist das trotzdem nicht. Er ist genauso im Mainstream der Unantastbarkeit der kapitalistischen Machtverhältnisse wie die anderen Medien. Seine spezielle Funktion ist es bloß, die Illusion von einer „sauberen“ Politik und bürgerlichen Demokratie zu nähren, die es nie gab.

Die Kapitalmacht brauchte die SPÖ

Lange Zeit war das Kapital in Österreich auf die Sozialdemokratie angewiesen. In der Nachkriegszeit, und in den Jahrzehnten danach. Die SPÖ und der ÖGB waren ein wichtiger Ordnungsfaktor zur Niederhaltung der Arbeiterschaft. Größere Streikbewegungen wurden, wenn nötig mit Prügelgarden, niedergeworfen, wie etwa der Oktoberstreik 1950. Durch die „Sozialpartnerschaft“ und durch ihre Regierungspolitik, erst in Koalitionen mit der ÖVP, dann in 13 Jahren Alleinregierung unter Kreisky und schließlich in weiteren wechselnden Koalitionen mit FPÖ und ÖVP wurde die SPÖ zu einer tragenden Säule der Verwaltung des kapitalistischen Systems in Österreich. Ja mehr noch, die SPÖ wurde von den progressiveren Kreisen des österreichischen Großkapitals dazu benötigt, den Staat zu modernisieren, ihn gesellschaftspolitisch von den ärgsten Fesseln des katholischen Miefs zu befreien.

Gerne gestand das Kapital dafür Einiges zu. Durch Posten und Pöstchen in der Verwaltung des Staates und aller staatsnahen Bereiche durfte die SPÖ sich und ihre Parteigänger versorgen, im Proporz mit der ÖVP, versteht sich. Korruption war dazu gar nicht nötig. Diese tauchte immer dann auf, wenn es Figuren gab, die sich extra bereichern wollten, die die Taschen nicht voll kriegen konnten. So kam es zu den großen Skandalen der SPÖ-Regierungszeit, wie dem AKH-Skandal. An den Rändern der SPÖ machten sich die Emporkömmlinge breit. Diese versenkten schließlich die ursprünglich vom sozialistischen Genossenschaftsgedanken inspirierten kommerziellen Großinstitutionen der österreichischen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, den Konsum und die Gewerkschaftsbank Bawag. Das, und auch die Privatisierung von vorher in öffentlichem Besitz befindlichen Banken wie Zentralsparkasse und Länderbank forcierte wesentlich den Konzentrationsprozess im Bankensektor und im Lebensmittelhandel.

Als die SPÖ nicht mehr gebraucht wurde

Dann kam die Zeit, in der die SPÖ nicht mehr gebraucht wurde, zumindest nicht im bisherigen Ausmaß. Der damals als Drittplatzierter aus den Wahlen hervorgegangene ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel bildete mit Hilfe der FPÖ Jörg Haiders zu Beginn des Jahrtausends eine Koalition ohne SPÖ-Beteiligung. Der Preis dafür war, dass es etwas zu stinken begann. Denn mit der FPÖ kamen politisch substanzlose Figuren in Regierungsämter, die über die üblichen Gepflogenheiten der Postenvergabe und Geldverteilung an die Parteien und Medien auch noch in übertriebenem Ausmaß die eigenen Taschen füllen wollten. Schüssel und die hinter ihm stehenden Mächtigen aus Industriellenvereinigung und Monopolkapital ließen die blau-braunen Aufsteiger gewähren, so lange sie artig die Agenda der Privatisierung und der Demontage des Sozialstaats umzusetzen halfen. Nach dieser Ära waren drei SPÖ-Bundeskanzler nicht in der Lage, an der damals begonnenen Demontage des Sozialstaats irgendetwas zu ändern. Im Gegenteil, sie halfen der ÖVP bei der Fortsetzung dieses Werks.

ÖVP selbst wurde zu schwerfällig fürs Geschäft

Dann kam die Zeit, wo die ÖVP selbst zu schwerfällig für das Geschäft wurde. Eine junge, weitgehend ideologiefreie Truppe rund um den Obmann der Jungen ÖVP, Sebastian Kurz, wurde aufgebaut und auf die aktuellen Ziele des Kapitals eingeschworen: Fortsetzung der neoliberalen und reaktionären Politik, weitere Demontage des Sozialstaats, Ausdehnung der Kapitalmacht. Dass sich die Kurz-ÖVP dazu mancher Wählerfangmethoden der FPÖ bedient, und etwa gegen Flüchtlinge Stimmung macht, ist dabei Mittel zum Zweck, mehr nicht. Auch Kurz war wieder auf einen Mehrheitsbeschaffer angewiesen, und nahm mit der Strache-Truppe dasselbe in Kauf, wie seinerzeit Schüssel mit der Haider-FPÖ. So kam es zu all dem, was Strache schon vor seinem Regierungseintritt freimütig der vermeintlichen Oligarchennichte erzählte, egal wie viel davon stimmte, und wie viel er noch dazu dichtete, um die „schoafe“ Frau zu beeindrucken. Jedenfalls jagte er mit Bekanntwerden des Videos die Koalition in die Luft und die Grünen mussten als Juniorpartner übernehmen. 

Die sauberen Grünen

Die Grünen sind gebildeter, feinsinniger, sprechen schöner, und sie sind bisher auch nicht als korrupt bekannt, wenngleich die Versorgung der Ex-Obfrau mit einem Job bei einem Glücksspielkonzern, der laut Strache „alle bezahlt“, schon eine eigenartige Optik entstehen ließ. Die sauberen Grünen sind aber nun als Erfüllungsgehilfen dran. Sie sollen Kurz dabei helfen, die Republik weiter für die heutigen Erfordernisse des Kapitals umzubauen. Auch bei den Grünen sind plötzlich politische Funktionäre in hohen Ämtern, die sich vorher mit Werkverträgen und Hungerlöhnen herumschlagen mussten, und jetzt das x‑fache eines Facharbeiterlohnes verdienen. Auch das wird die Leute prägen. Den wirklich Mächtigen ist es aber sicher lieber, politisches Personal zu haben, das nicht korrupt ist, denn dann laufen die Geschäfte störungsfreier ab. So gesehen, sind die Aufdecker-Journalisten natürlich auch nützlich. Man muss sie aber deshalb ja nicht gleich mit überbordender Presseförderung überhäufen.

Dann wird sich was bewegen…

Die Kapitalmacht wird durch viele Faktoren abgesichert, zu den wichtigsten gehören jene, die eine Kapitalhoheit über die Köpfe, die eine Hegemonie bürgerlichen Denkens herstellen und sichern. Und dafür sind sie alle nützlich: Parteien, Medien, neue soziale Medien, Gewerkschaften, Kirchen usw. Sie sind die nachgelagerten Bastionen, dem kapitalistischen Staat die Substanz sichern. Damit nur ja keine revolutionären Ideen um sich greifen. Veränderungen werden also nicht möglich sein, ohne diese Macht zu brechen, und das ist nur möglich, indem Instrumentarien dafür aufgebaut werden. Mit dieser Zeitung wollen wir ein Mosaiksteinchen für diese zu schaffende Gegenmacht sein. Die wirkliche Kraft zum Sturz der bestehenden Ordnung liegt aber in den Händen der Arbeiterklasse und der mit ihr über ähnliche Interessen verbundenen Schichten der Bevölkerung. Wenn sie ihre Macht erkennt und sich organisiert, vom Objekt zum Subjekt der Politik wird, dann wird sich was bewegen…

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