Im Juli 1961 schuf Carlos Fonseca in Nicaragua die linke FSLN-Guerilla, die 1979 die Somoza-Diktatur stürzte und in den 80er Jahren ein antiimperialistisches und soziales Reformprogramm umsetzte.
Managua. Am 23. Juli 1961 wurde in Nicaragua die Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN, Sandinistische Front der Nationalen Befreiung) geschaffen. Gegner des von den USA-gestützten, autoritären Somoza-Regimes und marxistische Revolutionäre um Carlos Fonseca und Tomás Borge gründeten die Organisation, um die de facto-Diktatur zu stürzen und einen antiimperialistischen und demokratischen Entwicklungsweg für das Land einzuschlagen. Während für Fonseca selbst die Kubanische Revolution und auch die UdSSR als Vorbilder wirkten, sammelten sich in der FSLN aber auch Kräfte, die mit dem Sozialismus im eigentlichen Sinn eher wenig anfangen konnten. Der Name der FSLN bezog sich auf General Augusto César Sandino, der bis zu seiner Ermordung 1934 gegen die US-Besatzung Nicaraguas gekämpft hatte. In den 1960er Jahren – 1967 konnte sich der jüngste Spross des Somoza-Clans zum offenen Diktator aufschwingen – entfalteten die Sandinisten eine Guerillakampf gegen das Regime und seine brutale „Nationalgarde“. Neben einigen militärischen Erfolgen gab es auch viele Rückschläge, 1976 wurde Fonseca getötet. Spätestens ab 1977 kann man von einem regelrechten Bürgerkrieg sprechen.
Sturz der Somoza-Diktatur
Im Spätsommer 1978 besetzten die Sandinisten den Nationalpalast und riefen zur allgemeinen Volkserhebung auf, auch das demokratische Oppositionsbündnis FAO sah die Zeit für den Sturz der Diktatur gekommen. Nochmals schlug Somoza zurück und führte das Kriegsrecht ein, zigtausende Gegner wurden mit Mord, Folter und Kerker bedacht. Doch dies war bereits der Endkampf der Oligarchie, die sich nicht mehr halten konnte: Im Juli 1979 floh Somoza nach Florida und die Guerilleros zogen in Managua ein. Damit hatte die „Sandinistische Revolution“ gesiegt, was eine große Leistung und Errungenschaft darstellte. FSLN-Comandante Daniel Ortega führte eine neue Regierung an (ab 1985 als Präsident), die eine Reihe von beachtlichen und wichtigen Reformen durchführte – diese betrafen u.a. eine Bildungskampagne, den Aufbau eines Gesundheitssystems und Frauenrechte, mit Unterstützung der Arbeiter und Landarbeiter. Die kleinbäuerliche und die indigene Bevölkerung stand dem Wandel ebenfalls positiv gegenüber. Freilich zog man sich gleichzeitig den Zorn der konservativen „Eliten“, der Plantagen- und Minenbesitzer sowie der USA zu. US-Präsident Ronald Reagan ließ schließlich die paramilitärischen Söldnertruppen der „Contras“ auf das Land los, die als Todesschwadronen die Regierung und Bevölkerung terrorisierten.
Reformen statt Revolution
Doch die „Sandinistische Revolution“ erfuhr auch Unterstützung, nämlich aus Kuba sowie europäischen RGW-Staaten wie der DDR. Auch in der westeuropäischen Linken – und hier keineswegs nur bei den Kommunisten – setzte eine umfassende Nicaragua-Solidarität ein, es gab Hilfsbrigaden und ‑Kampagnen. Ersteres war für die USA die Grundlage, die FSLN-Regierung als „kommunistisch“ einzustufen, doch letzteres war schließlich aussagekräftiger: Denn die FSLN war keine marxistisch-leninistische Organisation, sondern eine vielseitige pluralistische, die auch die katholische Befreiungstheologie umfasste und deren gemeinsamer Nenner ein diffuser „demokratischer Sozialismus“ und faktisch ein progressiver Reformismus war. Die inhaltliche Abgrenzung zur UdSSR und zur kommunistischen Weltbewegung war auch der Grund, warum in Europa viele Vertreter der „Neuen Linken“ oder der antikommunistischen Sozialdemokratie hier ein Gegenmodell zum „Realsozialismus“ sahen – und gleichzeitig war dies der Grund, warum diese „Revolution“ unweigerlich zum Scheitern verurteilt war, denn sie war letztlich keine: Eine sozialistische Revolution verlangt die Errichtung der politischen Herrschaft der organisierten Arbeiterklasse (und der Bauernschaft) sowie die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, d.h. die Enteignung und konsequente Niederhaltung der Kapitalisten und Grundbesitzer. Dazu war die FSLN nicht bereit – und das sollte sich rächen.
Wahlniederlage und Rückkehr Ortegas
Unter dem Eindruck der Wirtschaftssanktionen der USA und der „Contras“-Aktivitäten kippte 1990 die Stimmung, wobei gleichzeitig die Unterstützung durch die UdSSR und den osteuropäischen Sozialismus wegfiel. Die gegenrevolutionäre, antisandinistische Formation UNO gewann die Wahlen, ähnliche Kräfte (AL, PLC) sollten bis zum Jahr 2006 an der Macht bleiben. In dieser Zeit kam es zu umfassenden „neoliberalen“ Gegenreformen, zu Privatisierungen und kapitalistischen Liberalisierungen, zur Zerstörung des Sozialsystems. Der Sandinismus war mit seinen Illusionen und Halbheiten gescheitert, der Einfluss der USA, der Weltbank und des IWF verfestigte sich wieder. 2006 kamen bei den Wahlen Daniel Ortega und damit die zur bestenfalls „sozialdemokratischen“ Partei mutierte FSLN jedoch wieder an die Regierung, doch ein vergleichbares Programm wie in den 1980er Jahren war nicht mehr vorgesehen. Zwar stand Ortega für ein antiimperialistisches Bündnis mit Venezuela, Ecuador und Bolivien rund um die linken Hoffnungsträger Chávez, Correa und Morales bereit, doch im Inneren Nicaraguas zeichnete man sich bestenfalls durch Armutsverwaltung aus, während vielerorts Korruption und Bereicherung grassierten. Dies führte schließlich immer wieder zu landesweiten Protesten gegen Ortega, auch aus den armen Bevölkerungsschichten, wenngleich er sich bis heute an der Macht hält.
Mit den Vorstellungen von FSLN-Gründer Carlos Fonseca hat dies alles jedoch nichts mehr zu tun. Die Lehre aus der sandinistischen Geschichte lautet abermals: Der Kapitalismus lässt sich nicht wegreformieren und nicht transformieren – er muss gestürzt werden. Um den Menschen in Nicaragua eine Zukunft zu bieten, braucht es eine echte sozialistische Revolution.