Die Umstellung von der GIS-Finanzierung auf die Haushaltsabgabe nützt die ÖVP, um den ORF mittels einer „Reform“ nachhaltig zu ruinieren. Im öffentlich-rechtlichen Medienangebot soll möglichst viel vernichtet werden.
Wien. Nun weiß man, wofür die ÖVP Roland Weißmann als ORF-Generaldirektor installiert hat. Im Einklang mit „Medienministerin“ Susanne Raab geht es nun darum, das öffentlich-rechtliche Medienunternehmen kaputtzusparen – inklusive einer Reihe von Kollateralschäden. Als Anlass dient die kommende Umstellung der (Teil-)Finanzierung des ORF von den Rundfunkgebühren (GIS) zu einer Haushaltsabgabe. Diese ist im Prinzip vernünftig und, wenn man ein gewisses Maß an politischer Unabhängigkeit will, alternativlos, nachdem der Verfassungsgerichtshof die bisherige Bestimmung bis zum Jahresende repariert sehen will. Die einzige anderen Möglichkeit – nämlich jene einer direkten Budgetfinanzierung – wünscht sich niemand, denn dann wäre der ORF vom guten Willen des jeweiligen Finanzministers abhängig.
Die Haushaltsabgabe wird also kommen: Sie besagt, dass jeder Haushalt in Österreich ungeachtet dessen, ob er ORF-Angebote nutzt oder nicht, eine Art Steuer für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bezahlt. Der Betrag wird überschaubar sein und unter der bisherigen GIS-Gebühr liegen. Da jedoch mehr Haushalte erfasst werden, ist sogar mit Mehreinnahmen für den ORF zu rechnen. Und trotzdem verlangt Ministerin Raab vom ORF nun ein rigoroses „Sparprogramm“. Das passt natürlich nicht zusammen und nimmt die Neuregelung lediglich zum Vorwand, um die ÖVP-Agenda umzusetzen, bei der auch die Grünen wieder einmal bereitwillig mitwirken.
Die ersten „Sparmaßnahmen“ hat Weißmann bereits bekanntgegeben. Geradezu schändlich für die sonst stets betonte „Kulturnation Österreich“ ist hierbei z.B. die Abschaffung des Wiener Radio-Symphonieorchesters (RSO), das nun selbst schauen muss, wie es über die Runden kommt, oder sich auflösen soll. Wenig vorteilhaft für einen vom ORF unterstützten nationalen Kunst- und Kulturbetrieb ist auch die Stilllegung der Streamingdienste „Flimmit“ und „Fidelio“. Aber offenbar gehört es nicht zum Auftrag des ORF, der österreichischen Bevölkerung auf moderne Weise Werke von der Wiener Klassik bis zur cineastischen Gegenwart näherzubringen. Ob man hier tatsächlich, wie gebetsmühlenartig behauptet, Inhalte anderweitig digital abfangen kann, wird sich zeigen.
Ähnliches gilt für die Einstellung des Spartensenders „ORF Sport+“. Natürlich bietet dieser „nur“ ein Minderheitenprogramm, mit Randsportarten (das ist in Österreich alles außer Fußball, Formel 1 und Ski, selbst wenn Österreich Weltmeister ist wie z.B. im Hallenhockey) sowie Behindertensport. Diese mit Sendezeit zu fördern, steht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eigentlich gut zu Gesicht, doch die ÖVP-Streichliste kennt keine Gnade. Es erscheint zweifelhaft, ob sich die Inhalte von Sport+ künftig auf ORF 1 finden werden (vielleicht statt dem 34. Aufwärmtraining für Rennautos?), ein reines Digitalangebot von Übertragungen entspricht einstweilen nicht unbedingt den Sehgewohnheiten breiter Bevölkerungsteile.
Angekündigt ist auch ein Ende der Endlosschleifen von US-amerikanischen Serien und Hollywoodproduktionen. Das klingt zunächst gut, wenn man nicht zum 100. Mal sehen will, wie Charlie Sheen in ein Klavier kotzt. Der subtilere Hintergrund ist freilich ein anderer: Natürlich geht es schlussendlich um den gänzlichen Ausstieg des ORF aus der internationalen Premiumunterhaltung im Blockbusterbereich, denn diese ist erstens teuer und zweitens etwas, das den Privatsendern vorbehalten sein soll. Diese wollen keine Konkurrenz des ORF, der somit zurückgestutzt wird auf österreichisch-deutsche Massenware: Man zeigt dann eben die 100. Wiederholung der erstaunlich häufigen Mordfälle in Bad Tölz oder vielleicht wieder einmal einen Peter Alexander-Film.
Unterm Strich ist zu erwarten, dass es eine gewisse Annäherung von ORF 1 und ORF 2 an ORF III geben wird, garniert mit billigen und müden Eigenproduktionen. Das entspricht dann zwar auch nicht dem „Bildungsauftrag“, ist aber zumindest gewissermaßen Information und irgendwie Unterhaltung. Mit dem massiven Personalabbau, der dem ORF gleichzeitig vorgeschrieben wird, kann man sich schon vorstellen, wie künftige Qualitätskriterien aussehen. Und indem man den ORF in bestimmten Teilen ruiniert, wird er „sturmreif“ geschossen: Man wird wieder über die Privatisierung eines TV-Kanals sprechen, über eine Privatisierung von Ö3 etc. – alles, was noch Geld bringt, soll lukriert werden, während der Kern-ORF auf ein Notprogramm reduziert wird. Letztlich geht die ÖVP mit dem ORF nicht anders um als mit der einst mächtigen und stolzen Verstaatlichten Industrie: Das Familiensilber wird verscherbelt. Der Rest macht mangels (Werbe-)Einnahmen erwartbare Verluste, die vergesellschaftet bleiben und als „Beweis“ für die Richtigkeit des Vorgehens dienen, ehe die nächste Kahlschlagrunde folgt (FM4 wäre ein Kandidat).
Die privaten Medienkonzerne reiben sich die Hände, während ÖVP und Grüne zu den Totengräbern des öffentlich-rechtlichen Medienangebotes in Österreich werden. Schade, dass Sebastian Kurz das nicht mehr in der ersten Reihe erleben kann. Die Message Control ist zwar gescheitert, aber: Was man nicht vollständig kontrollieren kann, kann man ja immer noch zerstören.
Quelle: Der Standard