Tiflis. Nach Moldawien und Weißrussland ist Georgien in dieser Woche verstärkt in die geopolitische Konfrontation zwischen den USA, der NATO, der EU und Russland in Osteuropa einbezogen worden.
Proteste in Tiflis
In Tiflis kam es durch die sogenannte Zivilgesellschaft zu regierungsfeindlichen Demonstrationen gegen das Gesetz zur „Transparenz des ausländischen Einflusses“. Bisheriger Höhepunkt der Auseinandersetzung war eine Kundgebung Tausender Anhängerinnen und Anhänger der prowestlichen Vereinten Nationalen Bewegung (ENM) des früheren Präsidenten Micheil Saakaschwili am Dienstagabend in Tiflis.
Im Rahmen dessen kam es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden. Nach Angaben des Innenministeriums wurden 66 Personen verhaftet und etwa 50 Polizisten verletzt. Auch am Mittwoch und Donnerstag kam es zu Ausschreitungen.
Die Demonstrierenden trugen georgische und EU-Fahnen und skandierten „Nein zum russischen Gesetz“. Die Oppositionsparteien riefen zu einer zweiten Nacht der Demonstrationen vor dem Parlament auf.
Der Chef der EU-Außenpolitik Z. Borel verurteilte das Gesetz und bezeichnete es als „unvereinbar“ mit den Werten der EU und dem Ziel der Mitgliedschaft des Landes. „Seine endgültige Verabschiedung könnte ernste Konsequenzen für unsere Beziehungen haben“, drohte er.
Gesetz zur „Transparenz des ausländischen Einflusses“
Das georgische Parlament hatte das Gesetz in erster Lesung gebilligt. Nach diesem müsse sich jede Organisation, die mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland bezieht, als „ausländischer Agent“ registrieren lassen und unter die Aufsicht des Justizministeriums gestellt werden, andernfalls drohen hohe Geldstrafen.
Der Gesetzentwurf führte seit Februar immer wieder für Proteste prowestlicher Kräfte in Georgien. Nachdem dieser am Dienstagabend im Parlament mit 76 gegen 13 Stimmen von einer absoluten Mehrheit der insgesamt 139 Abgeordneten – 40 blieben der Abstimmung fern – verabschiedet wurde, kam es zu massiven Protesten.
Am Donnerstag kündigte die Regierungspartei Georgian Dream an, dass sie den umstrittenen Gesetzentwurf zurückziehen werde, um das dahinterstehende Anliegen der Gesellschaft „besser zu kommunizieren“. Außerdem soll der Text nach seiner Verabschiedung der für verfassungsrechtliche Fragen zuständigen »Venedig-Kommission« des Europarats zur Beurteilung vorgelegt werden.
Die Regierungspartei behauptet, das Gesetz sei an die amerikanische Gesetzgebung aus den 1930er Jahren angelehnt. Kritiker, darunter Präsident S. Surabischwili, sagen, es erinnere an ein ähnliches russisches Gesetz in Moskaus Konfrontation mit dem Westen und bringe Georgien in Distanz zur EU.
Im Juni hatte die EU Georgien den Status eines Beitrittskandidaten verweigert, der der Republik Moldau und der Ukraine zuerkannt worden war, weil die politischen und justiziellen Reformen ins Stocken geraten waren.
Vorgestern bekräftigte der georgische Premierminister Irakli Garibaschwili in einer Rede in Berlin seine Unterstützung für den Gesetzentwurf und erklärte, die vorgeschlagenen Bestimmungen über ausländische Agenten entsprächen „europäischen und globalen Standards“.
„Die Zukunft unseres Landes gehört nicht ausländischen Agenten und Dienern fremder Länder und wird es auch nicht“, sagte er
USA und EU üben Kritik
Die US-Botschafterin in Georgien sprach der Jungen Welt zufolge von einem „schwarzen Tag für die Demokratie in Georgien“. Sie warf der Regierung vor, dass diese Organisationen behindern wolle, „von deren Tätigkeit viele Menschen in Georgien Vorteile erzielen“. Gemeint sind prowestliche Einflussgruppen, die im Land aktiv sind und die spezifischen Agenden vorantreiben. Auch Josep Borrell, der EU-Außenbeauftragte, meldete sich zu Wort. Er ließ erklären, der georgische Gesetzentwurf verstoße gegen die Werte und Standards der EU; wenn er in Kraft trete, könne sich das negativ auf die Beitrittsperspektive Georgiens zur Union auswirken.
Quelle 902.gr/Junge Welt