Der Präsident eines Staates, der seine historische Legitimation von Antisemiten und Faschisten wie Stepan Bandera ableitet, biedert sich schamlos bei Israel an, jenem Staat, der von Juden geschaffen wurde, nachdem der Holocaust Millionen von ihnen ermordet hat, allein 800.000 auf dem Gebiet der Ukraine.
Kiew/Tel Aviv. Selenskyj will Israel besuchen, um seine Solidarität mit dem Kampf Israels gegen die Terroristen der Hamas zu bekunden, die er mit Russland gleichsetzt. Ob der Chef der israelischen Rechtsaußen-Regierung, Benjamin Netanjahu, Zeit finden wird, den Chef der Kiewer Junta zu empfangen, ist noch offen. Selenskyj löste mit seinem letzten Auftritt in Israel, einer Videoansprache in der Knesset, dem israelischen Parlament, im März 2022 Entsetzen aus, indem er den Krieg Russlands gegen die Ukraine mit dem Holocaust verglich.
Zuerst in der Westukraine und dann in allen noch unter ukrainischer Kontrolle stehenden Regionen wurden in den letzten 20 Jahren tausende Denkmäler für Stepan Bandera errichtet. Der Schlachtruf der ukrainischen Faschisten, „Slawa Ukraijini“, wurde zur gängigen Grußformel der Kiewer Offiziellen und Selenskyj trug ihn mit seinen Ansprachen in die ganze Welt hinaus. Bedenkenlos blökten Politikerinnen und Politiker aller Coleurs den Faschistengruß nach. Auch Geburts- und Todestag von Stepan Bandera sind in der Ukraine wichtige Daten. Am 1. Jänner, dem Geburtstag finden traditionell militante Aufmärsche statt, in denen die faschistische Gesinnung offen zur Schau gestellt wird. So sah sich das Simon-Wiesenthal-Zentrum am 3. Jänner 2022 genötigt, einen Protestbrief an den ukrainischen Botschafter in Israel, Jewgen Kornijtschuk, zu schicken, „als Reaktion auf den Massenmarsch in Kiew am Neujahrstag von Tausenden von Ukrainern zum Geburtstag des ukrainischen Führers Stefan Bandera im Zweiten Weltkrieg, der mit den Nazis kollaborierte und dessen Männer aktiv am Massenmord an Tausenden von Juden und anderen Zivilisten teilnahmen“.
Der 15. Oktober gilt in der Ukraine als inoffizieller Feiertag, denn an jenem Tag setzte im Jahr 1959 der sowjetische Agent Bohdan Staschinski dem Leben des Faschistenführers in seinem Münchner Exil ein Ende.
Frontbesuch bei den Neonazis – dann nach Israel?
Nun überschlägt sich das offizielle Kiew in Solidaritätsbekundungen mit Israel. Dieser Tage erschien ein Gastkommentar des wichtigsten Selenskyj-Beraters Andrij Jermak in der israelischen Tageszeitung „Haaretz“, in dem er die israelische Öffentlichkeit wissen ließ, dass die „Ähnlichkeit unserer Tragödien kein Zufall“ sei.
Mitte August war Jermak noch mit seinem Chef Selenskyj auf Frontbesuch beim Chefideologen der ukrainischen Neonazis, Andrij Bilezki, seinerzeit Gründer des Asow-Bataillons und jetzt Kommandant der Nachfolgegruppierung, der 3. separaten Angriffsbrigade.
„Wie können wir unseren Feind beschreiben? Die Behörden und die Oligarchen. Haben sie etwas gemeinsam? Ja, sie haben eines gemeinsam: Sie sind Juden, oder hinter ihnen stehen ihre wahren Herren – Juden“ sagte Bilezki auf einer Versammlung 2009. Er sieht sich als der „Weiße Führer“ der Ukraine. Als „ausgezeichnete Kämpfer“ bezeichnete Selenskyj die Neonazi-Truppe nach seinem Frontbesuch Mitte August.
Wie um seine Verbundenheit mit dem ukrainischen Faschismus erneut unter Beweis zu stellen, verlieh Selenskyj Ende September dem 131. separaten Aufkärungsbataillon der Streitkräfte der Ukraine einen Ehrennamen zu Ehren des Gründers der OUN, Jewhen Konowalets.
Konowalets, der Mitglied der Regierung von Simon Petljura war, stand an den Ursprüngen der „Ukrainischen Militärorganisation“ und dann der „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN), die später von Stepan Bandera geleitet wurde. Im Mai 1938 wurde Konowalets von dem NKWD-Agenten Pawel Sudoplatow ermordet. Der NKWD war der Geheimdienst der Sowjetunion.
Wenn Israel sich in Geiselhaft dieser Kiewer Bandera-Bande nehmen lässt, ist es selbst schuld. Der Vergleich Russlands mit der Hamas wird dort nicht bei allen Anklang finden. Schließlich haben viele – vor allem ältere – Bewohnerinnen und Bewohner Israels nicht vergessen, dass es die Rote Armee der Sowjetunion war, die Konzentrationslager befreite und den deutschen Faschismus besiegte. Russland ist formell der Nachfolgestaat der Sowjetunion, auch wenn er heute eine kapitalistische Raubtiergesellschaft ist. Dort wird aber das Andenken an den „Großen Vaterländischen Krieg“ hochgehalten, ebenso wie Menschen in Israel ihn nicht vergessen haben.
„In diesem Vergleich ist Israel Russland“ schrieb ein Leser der Haaretz unter Jermaks Beitrag. Welche Rolle das heutige Israel spielt und welche Schuld die gegenwärtige Regierung an der aktuellen Tragödie trägt, ist eine andere Frage.
Quellen: Haaretz/Academia/Tagesspiegel/Wiesenthal-Zentrum