Wien. Nur einen Tag nach der Flucht des Assad-Regimes aus Syrien und der Machtübernahme durch Dschihadisten hat Bundeskanzler Karl Nehammer das Aussetzen laufender Asylverfahren und die Überprüfung bestehender Schutzentscheidungen angekündigt. Innenminister Gerhard Karner sprach gar von der Vorbereitung eines Rückführungsprogramms. Ein Schritt, der Fragen nach Menschlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und einer verantwortungsvollen Flüchtlingspolitik aufwirft.
Unsichere Lage in Syrien
Während die österreichische Regierung schnelle Maßnahmen setzt, warnt das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) eindringlich vor Abschiebungen nach Syrien. Die Bedingungen für eine sichere Rückkehr seien nicht gegeben, betonte UNHCR-Sprecherin Shabia Mantoo. Noch immer fliehen Menschen vor Instabilität und Gewalt – über eine Million Binnenflüchtlinge allein seit Ende November. Die von der EU-Kommission ebenfalls geteilte Einschätzung verdeutlicht, dass Rückführungen in dieser Situation Menschenleben gefährden können.
In Österreich leben aktuell rund 95.000 syrische Geflüchtete, viele von ihnen seit Jahren. Sie haben hier Schutz gesucht, sich ein Leben aufgebaut, Sprachen gelernt, gearbeitet und ihre Kinder eingeschult. Ein abrupter Wechsel hin zu Abschiebungen untergräbt nicht nur den Grundsatz des Asylrechts, sondern auch die Integrationsbemühungen vieler Geflüchteter.
„Die Rückkehrbereitschaft unter Syrern ist hoch, wenn die Bedingungen stimmen“, erklärte Lukas Gahleitner-Gerz von der Asylkoordination. Doch diese Bedingungen sind nicht gegeben. Die Gefahr von Verfolgung durch syrische Geheimdienste bleibt bestehen, und ein stabiles politisches System fehlt. Geflüchtete zwangsweise zurückzuschicken, bedeutet, sie einer ungewissen und potenziell lebensgefährlichen Zukunft auszusetzen.