Linz. Die aktuelle Lage im österreichischen Gesundheitssystem zeigt mit aller Deutlichkeit, wohin neoliberale Sparpolitik und jahrzehntelange Ökonomisierung der öffentlichen Gesundheitsversorgung führen: überlange Wartezeiten, überfordertes Personal, verzweifelte Patientinnen und Patienten – und das quer durch alle Alters- und Bevölkerungsgruppen. Ob es sich um planbare Operationen, dringende Therapien oder diagnostische Eingriffe handelt: Immer mehr Menschen berichten davon, dass sie monatelang auf notwendige medizinische Leistungen warten müssen – oder gleich ganz darauf verzichten, weil sie weder Zeit noch Mittel haben, sich durch das überforderte System zu kämpfen.
Auch die Arbeiterkammer Oberösterreich schlägt Alarm: Immer häufiger wenden sich Versicherte mit Beschwerden über zu lange Wartezeiten an die AK. Ihre Forderung ist klar: Die Politik muss handeln, statt weiter zuzusehen, wie das System unter seinen eigenen Strukturproblemen zusammenbricht. Es könne nicht sein, dass Patientinnen und Patienten aus Oberösterreich gezwungen sind, auf Kliniken in anderen Bundesländern auszuweichen, um überhaupt noch zeitnah behandelt zu werden. Das sei weder sozial gerecht noch gesundheitspolitisch vertretbar.
Während das Land Oberösterreich und die Gesundheitsholding öffentlichkeitswirksam neue Kooperationen und Maßnahmen ankündigen, die angeblich für „mehr Effizienz“ sorgen sollen, ändert sich an der Realität vieler Betroffener kaum etwas. Das Vertrauen schwindet – in ein System, das immer weniger nachvollziehbar funktioniert und offenbar nur noch in der Theorie allen Menschen gleichermaßen dient. In der Praxis wird medizinische Versorgung immer mehr zu einem Privileg für jene, die es sich leisten können, Zeit, Geld oder Beziehungen zu investieren.
Dieser Zustand ist nicht einfach das Ergebnis einzelner Fehlentscheidungen – sondern Ausdruck eines strukturellen Versagens im Spannungsfeld zwischen öffentlichem Auftrag und kapitalistischer Logik. Wo Betten abgebaut, Personal eingespart und Budgets gekürzt werden, bleiben Fürsorge und Versorgung auf der Strecke. Besonders in Regionen mit unterversorgter Infrastruktur spüren das die Patientinnen und Patienten besonders stark.
Ein Gesundheitssystem, das Patientinnen und Patienten auf Jahre vertröstet, während gleichzeitig Millionen in Prestigeprojekte oder in die Subventionierung privater Anbieter fließen, zeigt sein wahres Gesicht: Es verwaltet Mangel, statt ihn zu beheben, es produziert Ungleichheit, wo Solidarität gefragt wäre. Die Leidtragenden sind nicht nur die Patientinnen und Patienten – sondern auch das medizinische Personal, das unter chronischem Personalmangel, Zeitdruck und einem zunehmend unhaltbaren Arbeitsalltag leidet.
In einem System, das sich dem Profit unterordnet, wird Gesundheit zur Ware und Krankheit zum Marktsegment. Das ist nicht einfach eine „Herausforderung“, wie es euphemistisch heißt – es ist eine kapitalistisch produzierte Ungleichheit, in der das Recht auf medizinische Versorgung von der Logik der Kostenrechnung verdrängt wird. Wer heute auf Heilung hofft, muss Geduld, Geld oder Glück mitbringen – das Recht auf Gesundheit ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Und das in einem Land, das sich noch immer rühmt, eines der besten Gesundheitssysteme Europas zu besitzen. Was bleibt, ist die bittere Wahrheit: Kapitalismus und menschenwürdige Gesundheitsversorgung sind nicht vereinbar.
Ein solidarisches Gesundheitssystem darf sich nicht dem Prinzip der Verwertbarkeit unterwerfen. Gesundheit ist ein Menschenrecht – kein Kostenfaktor. Doch solange der Kapitalismus das Primat über öffentliche Dienste behält, wird auch die medizinische Versorgung zunehmend zur Ware gemacht – und die Menschen zu bloßen Kostenstellen degradiert.
Die Lösung liegt nicht in kosmetischen Reformen, sondern in einer radikalen Umkehr: weg von der Profitlogik, hin zu einem gemeinwohlorientierten Gesundheitswesen, das die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten endlich ernst nimmt. Doch wer auf die politisch Verantwortlichen wartet, wartet oft vergeblich – und das nicht nur in den Wartelisten der Spitäler.
Quelle: ORF