Immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene – Mädchen und Buben, junge Frauen und Männer – greifen zu E‑Zigaretten, Schlafmitteln und digitalen Fluchten, um mit dem wachsenden Druck des Alltags zurechtzukommen. Eine aktuelle Befragung von fast 7.800 Schülerinnen und Schülern im Alter zwischen 14 und 17 Jahren zeichnet ein deutliches Bild: Während der klassische Alkohol- und Zigarettenkonsum leicht zurückgeht, explodiert der Gebrauch neuer Nikotinprodukte und Psychopharmaka. Gleichzeitig zeigen viele Jugendliche ein bedenkliches Nutzungsverhalten bei Social Media und Computerspielen.
So hat sich der Konsum von E‑Zigaretten binnen eines Jahrzehnts vervierfacht: Von sieben auf 31 Prozent. Die klassischen Zigaretten verlieren an Bedeutung – ein vermeintlicher Erfolg, der jedoch sofort durch neue Suchtmuster ersetzt wird. E‑Zigaretten gelten als cool, bunt und harmlos – die Industrie hat ganze Arbeit geleistet. Junge Frauen und Männer werden mit stylischem Design, süßen Aromen und Influencer-Marketing geködert. Der Staat reagiert träge, überlässt Maßnahmen wie Rauchverbote auf Spielplätzen den Gemeinden – ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Viel dramatischer ist der zunehmende Griff zu Schlaf- und Beruhigungsmitteln – auch bei Jugendlichen beider Geschlechter. Die Selbstmedikation mit Psychopharmaka ist nichts anderes als ein stummer Hilfeschrei: Der Alltag ist zu laut, zu schnell, zu voll mit Druck. Viele junge Frauen und Männer erleben Stress, Angst, Unsicherheit – und greifen zu Medikamenten, weil sie kaum psychische Hilfe bekommen und es an niedrigschwelliger Unterstützung fehlt. Ein Viertel dieser Jugendlichen steht am Anfang eines Weges, der nicht selten in Abhängigkeit führt.
Laut Expertinnen und Experten ist dieser Trend ein Spiegel tiefgreifender gesellschaftlicher Missstände. Die Verbindung zwischen psychischer Belastung und Substanzkonsum ist evident – wer unter der ständigen Überforderung durch Schule, familiären Druck, soziale Medien und ökonomische Unsicherheit leidet, sucht nach Erleichterung. Wenn das Gefühl aufkommt, nichts kontrollieren zu können, wird das eigene Verhalten zur letzten Bastion der Selbstbestimmung – auch wenn es zerstörerisch ist.
Zehn Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler zeigen zudem Hinweise auf eine problematische Nutzung sozialer Medien, etwa zwei Prozent erfüllen Kriterien einer Computerspielstörung. In einer durchökonomisierten Gesellschaft, in der Aufmerksamkeit zur Währung geworden ist, wird jedes Smartphone zum Suchtmittel. Mädchen wie Buben sind dieser Entwicklung gleichermaßen ausgesetzt – sie alle leben in einer Welt, die ihnen rund um die Uhr suggeriert: Du bist nie gut genug, nie schlank genug, nie produktiv genug.
Diese Symptome sind keine individuellen Schwächen – sie sind Ausdruck eines Systems, das auch die jüngsten Mitglieder verheizt. Jugendliche Mädchen und Burschen, junge Frauen und Männer brauchen keine Durchhalteparolen, sondern radikale Veränderungen. Sie brauchen eine Gesellschaft, die nicht auf Leistung und Profit, sondern auf Solidarität, Schutz und echte Teilhabe ausgerichtet ist.
Quelle: ORF