Die NEOS inszenieren sich in der Steiermark als Kämpferinnen gegen die Altersarmut von Frauen. Ihr Vorschlag: das Pensionssplitting, also die Übertragung von Pensionsgutschriften vom erwerbstätigen Partner auf denjenigen, der sich überwiegend um die Kinder kümmert. Eine Informationskampagne soll dafür sorgen, dass mehr Paare dieses Instrument nutzen. Das klingt fürs Erste pragmatisch, ja fast modern. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Initiative als oberflächlich und unzureichend. Sie verfehlt die Ursachen der Altersarmut und lenkt von den wirklich notwendigen Maßnahmen ab.
Seit 20 Jahren gibt es die Möglichkeit des Pensionssplittings in Österreich – kaum jemand nutzt sie. Weniger als ein Prozent aller Geburten führen zu einer entsprechenden Vereinbarung. Die NEOS deuten dies als Informationsdefizit. Doch die Wahrheit ist viel grundlegender: Frauenpensionen sind deshalb niedriger, weil Frauen schon im Erwerbsleben systematisch benachteiligt werden. Sie verdienen im Schnitt um 18 Prozent weniger als Männer, sie arbeiten überdurchschnittlich oft in schlecht bezahlten Branchen, sie werden durch unbezahlte Sorgearbeit aus dem Erwerbsleben gedrängt und landen nach einer Karenz häufig in Teilzeit und Niedriglohnjobs. Wer nur Bruchteile des Einkommens eines Mannes erwirtschaftet, wird auch bei einer „gerechteren“ Aufteilung von Pensionspunkten im Alter kaum gleichgestellt sein.
Hinzu kommt, dass die prekäre finanzielle Lage vieler Frauen mit Kindern nicht erst im Pensionsalter schlagend wird, sondern bereits viel früher. Daten der Schuldnerberatungen zeigen, dass Frauen nach Trennungen massiv gefährdet sind, in die Armuts- und Schuldenfalle zu geraten. 2021 mussten 21.000 Frauen Unterstützung suchen, viele davon mit existenzbedrohenden Schulden. Jede dritte Betroffene lebte am oder unter dem Existenzminimum. In solchen Lebenssituationen wirkt das NEOS-Rezept zynisch: Wer sich von Monat zu Monat durchkämpft, braucht keine Broschüre über Pensionssplitting, sondern konkrete sozialpolitische Maßnahmen, die sie im Hier und Jetzt absichern.
Das Beispiel verdeutlicht, woran die NEOS-Strategie krankt: Sie setzt auf individuelle Lösungen für ein strukturelles Problem. Statt endlich flächendeckend kostenlose Kinderbetreuungsplätze zu schaffen, die Frauen den Wiedereinstieg in Vollzeitjobs erleichtern würden, statt einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Kinderbildung ab dem ersten Geburtstag zu verankern, statt Lohndiskriminierung entschieden zu bekämpfen und die Einkommensschere zu schließen, setzen die NEOS auf ein bürokratisches Splittingmodell, das am Ende nicht mehr ist als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Noch problematischer ist die politische Signalwirkung: Mit dem Ruf nach automatischem Pensionssplitting akzeptieren die NEOS unausgesprochen die bestehende Rollenverteilung – der Mann verdient, die Frau betreut. Eine fortschrittliche Frauenpolitik sollte diese Rollenbilder aufbrechen, nicht institutionalisieren. Wer ernsthaft Altersarmut bekämpfen will, muss dort ansetzen, wo die Ungleichheit entsteht: am Arbeitsmarkt, im Bildungssystem, in der gerechten Verteilung unbezahlter Arbeit.
Dass gerade eine Partei wie die NEOS, die für wirtschaftsliberale Deregulierung und die Schwächung kollektiver Absicherungssysteme steht, sich als Vorkämpferin gegen Altersarmut inszeniert, wirkt gerade zu absurd. Mindestlohn? Fehlanzeige. Arbeitszeitverkürzung? Undenkbar. Stärkung öffentlicher Infrastruktur wie Betreuung und Pflege? Abgelehnt. Stattdessen beschränkt man sich auf ein Instrument, das den kapitalistischen Kern unangetastet lässt: Die Verantwortung bleibt beim Individuum, nicht beim Staat oder den Unternehmen, die von der Ungleichheit profitieren.
Die nackten Zahlen sind erschreckend genug: Frauen erhalten in Österreich um 40 Prozent weniger Pension, mehr als die Hälfte lebt im Alter unter der Armutsgrenze. Wer hier ernsthaft gegensteuern will, muss das Übel an der Wurzel packen – mit gleichwertigen Löhnen, mit einer massiven Aufwertung und fairen Bezahlung von Sorgearbeit, mit Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, mit einem Ausbau sozialstaatlicher Sicherungssysteme. Alles andere ist Ablenkung und das Abschieben von Verantwortung auf den Einzelnen.
Das NEOS-Pensionssplitting kommt als das daher, was es ist. Es soll von gesellschaftlichen Problemen ablenken und den Einzelnen dafür verantwortlich machen, damit die kapitalistische Ausbeutung weiter reibungslos stattfinden kann. Altersarmut von Frauen lässt sich nicht mit Informationskampagnen bekämpfen, sondern nur mit entschlossener Frauen- und Sozialpolitik, die an den Strukturen rüttelt.
Quelle: ORF